Drogenchaos

Velvet Revolution

Nach „Shadow Boxing“, der vor kurzem bei Sunfilm auf DVD erschienen ist, veröffentlicht Legend Films mit „Velvet Revolution“ einen weiteren russischen Actionfilm, der laut Covertext „in den russischen Kinos für sensationelle Besucherzahlen sorgte“. Das lässt großes Blockbuster-Kino erwarten und tatsächlich bedienen sich Regisseur Oleg Steptschenko sowie seine Kamerafrau Maria Solowlewa der visuellen Mitteln des Actionkinos der letzten Jahre: Harte Schnitte, gelackte Bilder oder Mätzchen wie die oftmals verwendete Perspektive durch einen Fotokamerasucher. Auch die Erzählweise versucht dem Geschehen eine besondere Größe zu verleihen, indem der Film mit Szenen außerhalb Russlands beginnt. Drogenbosse oder andere kriminelle Oberhäupter unterhalten sich über ihre Geschäfte, die ein internationales Netz organisierter Kriminalität suggerieren sollen, bevor „Velvet Revolution“ seinen Blick auf Moskau lenkt. Hier verpatzt ein aufrechter, aber jenseits der Regeln agierender Polizist einen Einsatz in einem Footballstadion, bei dem die Gangster entkommen und zahlreicher Opfer zu beklagen sind. Infolge der gescheiterten Aktion setzt ihm sein Chef einen neuen Partner an die Seite, der sich mit engagierter Linientreue beliebt gemacht hat. Gemeinsam finden sie sich in einer chaotischen Welt aus Schusswechseln, Drogen und Korruption wieder, die es aufzuräumen gilt. „Velvet Revolution“ bemüht sich, die Unübersichtlichkeit des kriminellen Netzwerks so kongenial wie möglich in seinen Handlungsverlauf zu übertragen. Als Vergleich bietet sich die Erzählweise Tony Scotts „Domino“ an, die demgegenüber jedoch wie geradlinig inszeniertes Kino wirkt. Innerhalb der ersten 40 Minuten springt die Handlung von Ort zu Ort, ohne dass durch Dialoge oder visuelle Mittel eine Verbindung entsteht. Der Film erzählt nicht, welcher Spur die Ermittler folgen, falls es denn überhaupt eine gibt. Er lässt den Zuschauer ebenso im Unklaren darüber, gegen wen sich die Aktionen richten. Durch das eingeführte Drogenthema – der Einsatz im Footballstadion sollte den Zielpersonen Kokain unterjubeln – lässt sich zwar ungefähr nachvollziehen, worum es den Polizisten geht, ihr Gegner indes bleibt im Dunkeln. „Velvet Revolution“ zeigt zwar immer wieder irgendwelche sich im Ausland befindlichen Gangsterbosse, die ihre bösen Pläne schmieden, aber er erzählt nicht, wer mit wem in Kontakt steht und in welcher Weise das Netz in Russland wirkt. Eine kriminelle Organisation stellt der Film nicht vor, auch wenn ständig neue Personen eingeführt werden. Diese tauchen jedoch nur selten wieder auf. Er begnügt sich mit kurzen Szenensplittern, sein Konstruktionsprinzip ist die erzählerische Ellipse. Alles was wichtig sein könnte, fehlt in Dialog und Bild, die Verbindungslinien muss der Zuschauer selbst herstellen. Das gilt beispielsweise auch für ein mysteriöses Handy, das für die Gangster einen Wert haben muss, so suggerieren es zumindest die Aussagen des unkonventionellen Polizisten. Die Attacken auf seine Person unterstützen die Theorie. Was an dem Handy so wichtig ist, wir ahnen es, muss man sich selber denken. Wenn „Velvet Revolution“ ein klassischer Erzählfilm im Blockbustergewand sein will, dann ist er ein Offenbarungseid, der mit pompösem Unvermögen glänzt. Besonders ärgerlich wäre dann auch die listig eingeflochtene antiamerikanische Grundstimmung, welche über die offen zu Schau gestellte Antipathie gegenüber dem American Football transportiert wird. Denn als Erzählfilm ist „Velvet Revolution“ nur eine unbrauchbare Kopie amerikanischer Blockbuster, deren Antiamerikanismus angesichts des eigenen Unvermögens, amerikanische Vorbilder zu erreichen, einen lächerlich-ärgerlichen Nachgeschmack hinterlässt. Aber vielleicht wollte Oleg Steptschenko auch einen bombastischen Avantgarde-Film machen, dessen dramaturgisches Konzept die Regeln des Blockbuster-Kinos unterläuft. Die Entscheidung darüber liegt beim Zuschauer.

Bildqualität

Die DVD überzeugt mit einem blitzsauberen Bild, das angesichts der aktuellen Produktion auch zu erwarten war. Die Schärfe siedelt sich im sehr guten Bereich an, wobei die stilistischen Eigenheiten des Films (Kamerasucherperspektive, Bildbeschleunigung, Filtereinsatz) berücksichtigt werden müssen, so dass nicht jedes Bild durch seinen Detailreichtum auffällt. Das aber gehört zum visuellen Stil des Films. Die Farbpalette, welche zwischen ausgebleichten Bildern, solchen mit hartem Kontrast oder kräftigen Farben schwankt wurde sehr gut auf die DVD übertragen. Rauschmuster sucht man hier vergeblich.

Tonqualität

Auch die 5.1-Kulisse sorgt für einen dynamischen Raumklang, der in den Actionszenen alle Boxen mitsamt dem Subwoofer fordert. Hier kommt die richtige Actionstimmung auf. Auch die Dialogwiedergabe ist gelungen, da alles klar und verständlich ist. Etwas gewöhnungsbedürftig ist aber die Entscheidung, die russische Originalversion nach Landesstandard (wie es auf dem Cover heißt) zu veröffentlichen. Damit ist gemeint, dass die wenigen englischen Passagen ein russisches Voice-Over verpasst bekommen, das zu allem Überfluss auch noch von ein und demselben Sprecher vorgetragen wird. Da fällt es schwer, bei den wechselnden Dialogen zuzuordnen, wer was sagt. Hier wurden entweder die Russlanddeutschen anvisiert, die man sich als potentielle Käufer nicht verprellen wollte, oder aber einer falsch verstandenen Authentizität gehuldigt.

Extras

Der DVD liegt auf einer separaten Audio-CD die Filmmusik bei, was viel öfter Schule machen sollte und die DVD-Edition enorm aufwertet. Das 25minütige Making of liefert das gewohnte Werbematerial, das in diesem speziellen Fall sehr interessant ist, weil dadurch erstaunliche Informationen über den Inhalt des Films deutlich werden, die das fertige Werk nicht vermittelt. Insofern es bietet sich denjenigen an, die einen Blick auf „Velvet Revolution“ wagen wollen, das Making Of zuerst anzuschauen, da sich auf diese Weise der Filmgenuss erhöhen könnte. Neben Informationen zum Inhalt enthält das Making Of ein paar nette Produktionsinformationen zum Dreh einiger Actionszenen und ein paar kurze banale Worte über die Filmmusik. Ein Musikvideo, fünf Trailer zum Film sowie zwei TV-Spots runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Velvet Revolution“ ist entweder eine erzählerische Frechheit oder ein unglaublich dreister Avantgarde-Film, der die Regeln des Blockbusterkinos durch seine elliptische Struktur aushebelt. Technisch ist die DVD sehr gut, besonders positiv fällt der auf separater Audio-CD enthaltene Soundtrack auf.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Muzhskoy sezon. Barkhatnaya revolutsiya (Russland 2005)
Länge 111 Minuten (Pal)
Studio Legend-Films
Regie Oleg Steptschenko
Darsteller Alexej Krawtschenko, Alexander Karpow, Michail Gorewoi, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS Deutsch, DD 5.1 Deutsch, Russisch
Untertitel Deutsch
Extras Soundtrack, Making Of, Musikvideo, Trailer
Preis ca. 19 EUR
Bewertung schwach, technisch sehr gut