Farce statt Tiefgang

Sophiiiie!

Schon der Titel „Sophiiiie!“ deutet mit seiner drolligen Schreibweise an, dass Martin Hofmann ums Verrecken gerne einen verdammt ungewöhnlichen und anspruchsvollen Film gemacht hätte. Das Independent-Kino als Plattform für echte Künstler, die etwas zu sagen haben. Um es vorweg zu nehmen, „Sophiiiie!“ ist genauso wie sein Titel geworden. Die „Schreibweise“ ist einfach falsch. Es sei denn, Herr Hofmann wollte einen Film realisieren, dessen Handlung bestenfalls dann noch ernst genommen werden kann, wenn sie von den gedrehten Bildern abstrahiert wird. Die Geschichte zeigt eine junge Frau mit dem Namen Sophie, welche ungewollt schwanger ist. Am nächsten Morgen soll die Abtreibung stattfinden. In dieser psychischen Grenzsituation schnappt sie sich das Motorrad ihres Freundes, um in die Hamburger Nacht zu brausen. Dabei begegnet Sophie den unterschiedlichsten Menschen, welche sie unter der eigenen psychischen Belastung mit allerlei seltsamen Worten zu Leibe rückt. Irgendwann ist dann der Morgen da und der Film endet. Bei der Umsetzung seines Films „Sophiiiie!“ hält sich Martin Hofmann streng an die goldenen Regeln für das Independent-Kino:

1. Drehe die Szenen niemals so, dass sie realistisch wirken könnten. Realistische Szenen gehören zum Handwerkszeug der Filmemacher, die keine Phantasie haben. Unter Künstlern ist das verpönt. Wer etwas auf sich hält sorgt dafür, dass sich das Publikum stets fragt, ob es das glauben kann, was gerade zu sehen ist. Dadurch hält man die Köpfe der Zuschauer ständig in Bewegung, so dass es sich nicht in seiner Gemütlichkeit einrichten kann. Wo käme man auch hin, wenn eine Szene die abgebildete Problemlage einer Figur klar ausdeuten würde. Das wäre eine unzulässige Vereinfachung, die jedem künstlerischen Anspruch zu wieder läuft. Martin Hofmann braucht zwar etwa 15 Minuten, bis er die Regel beherzigt, dafür dann aber sehr virtuos. Die umherbrausende Sophie befindet sich in einer Eckkneipe, in der sich zumeist mittelaltes, männliches, dem Alkohol sehr zugeneigtes Publikum aufhält. Natürlich weiß der Kenner sofort, dass in solchen Lokalen jede Nacht Frauen auf dem Billardtisch vergewaltigt werden. Und da Hofmann weiß, dass es der Kenner weiß, holt er zum großen Schock aus. Sophie nutzt ihre psychisch desolate Verfassung, um nach einem kleinen Scharmützel wegen eines defekten Zigarettenautomaten einige der alkoholisierten Männer anzupöbeln. Das sorgt sofort für Spannung. Außerdem erreicht Hofmann über die völlig schwachsinnige Metapher für eine psychische Grenzsituation, dass der Kopf des Zuschauers auf die eine oder andere Weise in Bewegung bleibt.

2. Verwende nur Hauptfiguren, die gänzlich unsympathisch sind oder mindestens solche Züge tragen. Es gehört zu den erbärmlichsten Entgleisungen der Literatur- oder Filmgeschichte Figuren zu zeichnen, die als Sympathieträger funktionieren. Das ist stupides Hollywood. Hier soll der Zuschauer auf plumpe Weise bestochen werden, in Wirklichkeit aber wollen die Produzenten nur das Geld des Publikums. Das ist widerlich. Das Independent-Kino kennt so etwas nicht. Es schielt nicht auf das große Publikum. Je weniger Menschen einen Film gesehen haben, desto künstlerisch wertvoller ist er. Über Zuschauerstatistiken lacht man in solchen Kreisen nur. Hier geht Hofmann in „Sophiiiie!“ nur den halben Weg. Die psychische Grenzsituation verhindert, dass die junge Frau vollständig abstoßend wirkt. Man wäre ja kein Mensch, wenn nicht auch Verständnis in einem wohnen würde. Damit sein Film nicht misslingt, trifft Sophie einen Kino-Vorführer – herrlich treudoof von Robert Stadlober gespielt –, mit dem sie ein Hotelzimmer nimmt, um Sex zu haben. Als sich der Vorführer aber verständnisvoll zeigt und seine Probleme anmeldet, schnellen Sex zu vollziehen, wird Sophie unwirsch. Wer ficken will braucht halt keine Menschlichkeit, womit die dritte Regel umrissen wäre.

3. Sex hat nichts mit Liebe zu tun, unter keinen Umständen. Sex und Liebe in einen Topf zu werfen ist – jeder Aufgeklärte weiß es – das Ergebnis schwachsinniger Gefühlsduselei hoffnungsloser Romantiker, die in psychiatrische Behandlung gehören. Das wahre Glück findet der Mensch erst, wenn er das begriffen hat. Das hat zwar nichts mit der Realität zu tun, aber das ist ja auch gar nicht gewollt (siehe Regel 1).

Bildqualität

Das Bild fällt unter Berücksichtigung der Produktionsumstände noch brauchbar aus. Die Schärfe siedelt sich im Durchschnitt an. Der Kontrast sorgt dafür, dass in dunklen Szenen Details verloren gehen. Die reduzierte Farbpalette wurde sehr gut auf die DVD übertragen. Das körnige Bild dürfte auf das Konto der Produktionsumstände und die Intention des Kameramanns gehen. Das Blockrauschen ist eine Schwäche der DVD.

Tonqualität

Der 2.0-Ton liefert klare und verständliche Dialoge, die ohne nennenswertes Rauschen aus den Boxen ertönen. Ein bisschen dumpf ist die Angelegenheit zwar, aber das stört nicht weiter.

Extras

Als Bonusmaterial gibt es unter anderem einen 10minütigen Beitrag „Hinter den Kulissen“, der unkommentiertes, eher banales B-Roll-Material zeigt. Die Interviews mit Katharina Schüttler, Robert Stadlober, Martin Brambach, Alexander Beyer und Gerd Wameling (zusammen etwa 17 Minuten) bieten neben den üblichen Floskeln auch interessante Teile. Vor allem Martin Brambach und Gerd Wameling äußern sich über ihr persönliches Verhältnis zu den dargestellten Charakteren. Alexander Beyer erzählt ein paar merkwürdige Dinge, Katharina Schüttler bleibt allerdings eher an der Oberfläche. Stadlober äußert sich sehr offen über seinen unstillbaren Drang, Schauspieler beim Film zu sein. Der Trailer, eine Fotogalerie und Texttafelfilmographien runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

Leider scheitert „Sophiiiie!“ daran, die extreme Geschichte der Hauptfigur adäquat zu inszenieren. Zu absurd entwickelt sich das Geschehen, als dass es in irgendeiner Weise ernst genommen werden kann. Technisch ist die DVD brauchbar.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Sophiiiie! (BRD 2002)
Länge 103 Minuten (Pal)
Studio epiX
Regie Martin Hofmann
Darsteller Katharina Schüttler, Alexander Beyer, Boris Aljinovic, u.a.
Format 1:1,78 (16:9)
Ton DD 2.0 Deutsch
Untertitel Deutsch, Englisch, Französisch
Extras Hinter den Kulissen, Trailer, u.m.
Preis ca. 20 EUR
Bewertung schwach, technisch brauchbar