Als Japan das Schwimmen verlernte

Sinking of Japan

1973 erschuf der japanische Regisseure Shirô Moritani mit seinem Film „Der Untergang Japans“ (Nippon Chinbotsu) die beängstigende Katastrophenvision, Japan werde durch tektonische Aktivitäten untergehen. „Lorelei“-Regisseur Shinji Higuchi, ein ausgewiesener Fachmann für Spezialeffekte, hat im Jahr 2006 ein Remake des 70er-Jahre-Streifens gedreht. Die Geschichte unterscheidet sich im Grundsatz der Katastrophe nicht vom Original. Wissenschaftler stellen tektonische Veränderungen fest, die zum Untergang der Inselgruppe führen werden. Da die Zeit drängt, arbeitet die Regierung sowohl an Evakuierungsplänen als auch an einer weiteren Erforschung der Vorgänge, um den Untergang möglicherweise abzuwenden. Doch der drohende Untergang wird durch unvorhergesehene Ereignisse deutlich beschleunigt. Die Regierung lässt das Volk darüber allerdings im Unklaren, um eine Massenpanik zu vermeiden. Der Wissenschaftler Yusuke Tadokoro will sich mit der Katastrophe nicht abfinden und sucht gemeinsam mit seiner Tiefseeforschungsgruppe nach einem Ausweg. Darunter befindet sich auch ein ausgezeichneter U-Boot-Pilot, der jedoch die Heimat verlassen möchte, als der Untergang Japans immer näher rückt. Nur die Liebe zu einer Katastrophenhelferin lässt ihn zögern, da er sie bislang nicht davon überzeugen konnte, mit nach England zu gehen. Vulkanausbrüche, Tsunamis und Erdbeben künden derweil vom nahen Ende.

„Sinking of Japan“ setzt sich auf unglückliche Weise zwischen alle Stühle, da das Budget nicht ausgereicht hat, um ein durchgängiges, effektgeladenes Katastrophenspektakel auf die Beine zu stellen und die Erzählung über die Figuren vernachlässigt wird. Shinji Higuchi, der aus der Spezialeffektecke kommt, weiß natürlich, wie gute Katastrophenbilder erzeugt werden können. Die Vulkanausbrüche, Tsunamis, Feuersbrünste oder anderen Manifestationen der Naturgewalt sehen allesamt ausgezeichnet aus, bleiben aber vergleichsweise kurze Momentaufnahmen, ohne die Katastrophe voll auszuspielen. Bei den Tsunamis sind beispielsweise kurze Aufnahmen gigantischer Wellen zu sehen, dann folgen Bilder ans Land drängenden Wassers mit in Panik weglaufenden Menschen und darauf der Schnitt. Das ganze Ausmaß wird nicht erzählerisch ausformuliert, sondern nur angedeutet, wenn auch kraftvoll. Die Katastrophe erhält den Status einer Illustration der übrigen Szenen, in denen sich der Film zum einen mit den wissenschaftlichen Erläuterungen, zum anderen mit den Figuren beschäftigt. Während erstere ihre Funktion erfüllen, scheitert der Film bei der Figurengestaltung und ihrer Konflikte. Sie sind zwar teilweise über ihre Funktion als Wissenschaftler bei der Forschungsarbeit oder als Regierungsberater auf intellektueller Ebene in das Katastrophenszenario eingebunden, eine emotionale Verbindung, die mit den zerstörerischen Folgen der Geschehnisse verwoben ist, existiert über zwei Drittel des Films jedoch nicht. Aus diesem Grund besitzt der vor den Augen des Zuschauer ablaufende Untergang Japans die emotionale Wirkung irgendwelcher statistischen Beschreibungen, filmisch erlebbar wird er als Drama nicht.

Das ändert sich erst gegen Ende, als sich der innerhalb der Liebesgeschichte angelegte Konflikt zwischen Heimatverbundenheit und Auswanderungswunsch auch auf der Mikrokosmosebene der Figuren wiederspiegelt. Hier kann „Sinking of Japan“ die große Stärke des Katastrophenfilmgenres ausspielen, das über die nachvollziehbare Ebene einiger weniger direkt handelnder Menschen, elementare existentielle Fragestellungen behandeln kann. In den Minuten davor laufen Katastrophe, moralische sowie emotionale Konflikte nur nebeneinander her. Ohne eine Verbindung zu den Hauptfiguren des Films bleibt das Szenario jedoch bedeutungslos. Das ist der Vorwurf, den sich „Sinking of Japan“ gefallen lassen muss.

Bildqualität

Die Bildqualität der vorliegenden DVD ist ausgezeichnet. Dreckspuren oder Bilddefekte tauchen bei einem derart aktuellen Werk natürlich nicht auf. Darüber hinaus überzeugt die Schärfe sowohl hinsichtlich der Details als auch bei der Konturenwiedergabe. Die Farben sind kräftig und geben das Katastrophenszenario mit der notwendigen visuellen Brillanz wieder. Der Kontrast sorgt für ein plastisches Bild. Rauschmuster treten fast gar nicht in Erscheinung, lediglich bei Szenen mit viel Rauch tritt Blockbildung auf.

Tonqualität

Der guten Bildqualität steht der Ton in nichts nach. Sowohl in den wuchtigeren Katastrophenszenen als auch bei den Unterwasseraufnahmen spielen die 5.1-Spuren ihr räumlichen Potential aus, indem entsprechende atmosphärische Geräusche aus allen Boxen erklingen. Die Dialoge sind stets klar und verständlich, die Musik besitzt die notwendige Dynamik.

Extras

„Behind the scenes: Live Action“ (etwa 56 Minuten) besteht aus unkommentierten, aber untertitelten B-Roll-Aufnahmen vom Set, so dass einige Regieanweisungen oder Blödeleien verständlich sind. Der Informationswert bleibt dennoch mager. "Behind the Scenes: Special Photographic Effects" (etwa 16 Minuten) zeigt unkommentierte Aufnahmen der Modellerstellung für die Katastrophenszenarios sowie die mit Modellen gefilmten Katastrophenaufnahmen selbst. Wassermassen umspülen Miniaturdörfer, Häuser explodieren oder nachgebaute Berge rutschen ab. Ein sehr schönes Extras, das auch ohne Kommentar sehr anschaulich ist.

"Behind the Scenes: Digital Effects" präsentiert in etwa 30 Minuten Aufnahmen aus dem Film, zeichnerische Entwürfe der Katastrophenszenarios oder Green-Screen-Aufnahmen. Über den Zusammenschnitt wurde ein Kommentar der Effekt-Leute gelegt, der teilweise erläuternden Charakter besitzt, häufig aber in launige Plaudereien abgleitet, die ohne Struktur kaum noch etwas zum Verständnis beiträgt. So bleibt diese Dokumentation zwiespältig.

Im etwa neunminütigen „Basic Research Professor Taira“ widmet sich der Ozeanologe Professor Taira den wissenschaftlichen Grundlagen der im Film vorgetragenen Theorie. Dabei trennt er realistische Annahmen von unrealistischen Ideen. Auf sehr schöne Weise wird hier das filmische Szenario in den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand eingeordnet. In „Basic Research Professor Yamaoka“ setzt der Geologe Professor Yamaoka die eingeschlagene Richtung mit 11minütigen Erläuterungen zur geologischen Seite fort.

Hinter „Computer Simulations“ (etwa fünf Minuten) verbirgt sich ein Zusammenschnitt der grafischen Visualisierungen, mit denen im Film das Katastrophenszenario begründet wird. Wer nach Ansicht des Films noch einmal einen kompakten Blick darauf werfen möchte wird hier gut bedient.
„Press“ zeigt die dreiminütige Pressekonferenz des Film-Premierministers, die innerhalb des Films in Fernsehübertragungen zu sehen, teilweise aber auch nur zu hören ist.

„News“ bietet einen etwa sechsminütigen Zusammenschnitt einiger Filmnachrichtensprecherszenen, die Katastrophenmeldungen verlesen.

Hinter den „Deleted scenes“ (etwa 67 Minuten) verbirgt sich im Wesentlichen ein Zusammenschnitt handlungsmäßig erweiterter Szenen, die in leicht kürzeren Varianten aber im Film enthalten sind, und alternativer Takes. In dieser Länge besitzt das den Charakter einer Müllverwertung.

Fazit

„Sinking of Japan“ scheitert daran, die Geschehnisse des Katastrophenszenarios auf emotionaler Ebene mit den handelnden Figuren zu verknüpfen. Die vorhandenen Ansätze reichen nur zu einer schlaglichtartigen Inszenierung. Technisch ist die DVD ausgezeichnet, das Bonusmaterial besitzt Licht und Schattten.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Nihon Chinbotsu (Japan 2006)
Länge 130 Minuten (Pal)
Studio Splendid
Regie Shinji Higuchi
Darsteller Tsuyoshi Kusanagi, Kou Shibasaki, Etsushi Toyokawa, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 5.1 Japanisch, Deutsch
Untertitel Deutsch
Extras Behind the scenes, Deleted scenes, u.m.
Preis ca. 18 EUR
Bewertung gescheitert, technisch ausgezeichnet