Die Kunst in der Verführung

The Shape of Things

Als im Jahr 2002 Neil LaButes Theaterstück "Das Maß der Dinge" in den Kammerspielen des Bochumer Schauspielhauses Premiere hatte, wurde das Publikum Zeuge einer der besten Inszenierungen der damaligen Spielzeit. LaButes Theater bietet erfrischend aufregende Dramen, die intelligente Auseinandersetzungen bei gleichzeitiger Wahrung des Unterhaltungsanspruchs präsentieren. Ein Tornado aus gesellschaftlichen Werten, dem Werbeeinfluss, Persönlichkeitsumwandlung, Liebe und göttlichen Schöpferphantasien in der Kunst hebt die vier Figuren des Stückes in die Luft empor, um sie mit verändertem Bewusstsein auf dem unsicheren Boden wieder abzusetzen. Daran hat sich auch in LaButes selbst inszenierter Filmfassung nichts geändert. Die erste Szene spielt treffender Weise in einem Museum, in dem ein etwas abgehalfterter Anglistikstudent als Aufsicht arbeitet. Eine Kunststudentin übertritt mit Sprühfarben ausgestattet eine Absperrung, um einer Götterstatue zu Leibe zu rücken, an der nachträglich ein Feigenblatt aus Gips angebracht worden war. Nach einer Diskussion über unehrliche Kunst springt der Liebesfunken auf ihn über, die beiden werden ein Paar. Zwei seiner Freunde, ebenfalls ein studentisches Pärchen, nehmen das unterschiedlich auf. Während Jenny, die einmal in den Anglistikstudenten verliebt war, die zunehmenden optischen Veränderungen erfreut bemerkt, wundert sich der machohafte Philip sehr, dass eine jahrelang geliebte Cordjacke zugunsten eines Segelblousons plötzlich bei der Heilsarmee landet. LaButes bissige Dialoge begleiten eine äußerliche Persönlichkeitsverflachung, mit der zugleich eine innere Selbstbewusstseinsvergrößerung einhergeht. Paul Rudd präsentiert in der Rolle des Anglistikstudenten diese Verwandlung als nuancierte Erkrankung an der Schizophrenie einer Gesellschaft, deren gelackte Idealbilder das Aufregende in Standardisierungen verspricht. Mit den Mitteln einer furiosen Satire reflektiert "The Shape of Things" gleichzeitig über das komplexe Manipulationsgefüge innerhalb einer Liebesbeziehung, ohne einen eindeutigen moralischen Standpunkt zu beziehen. Nahezu alle Handlungen der vier Charaktere besitzen einen ambivalenten Charakter, der sich einer klaren Einordnung entzieht. Die ruhige, der Theaterperspektive entlehnte Kamera neigt auch nicht zu kommentierenden Mätzchen. Stattdessen sorgen subtile Bildausschnitte - in einer Szene verschwindet die Kunststudentin aus dem Bildausschnitte, währen die übrigen drei noch zu sehen sind - für den einen oder anderen Anhaltspunkt. In solchen, für den Film atypischen Perspektiven, die jedoch absolut filmisch sind, liegt die Größe der Adaption.

Bildqualität

Das Bild besitzt keine nennenswerten Schwächen. Defekte oder Verschmutzungen sucht man ebenso vergeblich, wie die Szenerie mit guter Schärfe wieder gegeben wird. Leichte Unschärfen im Hintergrund gehören zum visuellen Konzept des Films, der die vier Hauptfiguren ein wenig monolithisch aus der Umgebung heraushebt. Die Farben sind kräftig, der Kontrast sorgt für eine ausgewogene Darstellung im Hell-Dunkel-Bereich. Das leichte Rauschen kann verschmerzt werden.

Tonqualität

Auch beim Ton gibt es kaum Anlass zur Kritik. Genrebedingt gibt es natürlich kein furioses Effektfeuerwerk, aber die Dialoge sind klar und verständlich. Störendes Rauschen gibt es nicht. Die Musik sorgt für ein leichtes räumliches Erlebnis.

Extras

Das Bonusmaterial glänzt vor allem durch den Audiokommentar, der nicht nur dankenswerter Weise deutsch untertitelt wurde, sondern dieses auch benötigt. Regisseur Neil LaBute und Darsteller Paul Rudd spielen sich mit aberwitziger Schlagzahl die Bälle zu, dass selbst sprachlich firme Zeitgenossen ihre Schwierigkeiten haben könnten. Dabei wechseln sich Filmanalyse, intelligente Späße und bissige Kommentare ab. Das Ganze ist ein bisschen selbstverliebt, aber stets informativ beziehungsweise amüsant. Der Inszenierungsstil wird ebenso näher beleuchtet wie der technische Hintergrund der optischen Veränderungen beim Hauptdarsteller. Insgesamt ein exzellenter Audiokommentar.
"Neil LaBute über den Film" (ca. 4 Minuten) beinhaltet Filmausschnitte und Interviewsequenzen mit LaBute, in denen er sich über die Transformation des Theaterstücks zum Film äußert. In seiner Kürze ganz nett.
"Willkommen im Mercy College" (ca. 2 Minuten) ist ein kleiner Spaß, den man sich am Set erlaubt hat. Die einzelnen Charaktere stellen sich wie in einem fiktiven Werbespot für das College selbst vor.
Der Trailer rundet das Bonusmaterial ab.

Fazit

"The Shape of Things" reflektiert über die Tendenz zur Oberflächlichkeit in unserer Zeit, Machtverhältnisse sowie Ehrlichkeit in Liebesbeziehungen und beschäftigt sich mit dem Kunstbegriff. Die Reichhaltigkeit des Theaterstücks wurde kongenial auf den Film übertragen, der sich auf höchstem Niveau befindet. Technisch ist die DVD gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel The Shape of Things (USA 2003)
Länge 93 Minuten (Pal)
Studio Capelight
Regie Neil LaBute
Darsteller Gretchen Mol, Paul Rudd, Rachel Weisz, Fred Weller
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar mit Neil LaBute und Paul Rudd, Trailer, u.m.
Preis ca. 15 EUR
Bewertung sehr gut, technisch sehr gut