Dorfgeheimnisse

Saint Martyrs - Stadt der Verdammten

Der alte Schlager der Independent-Jünger "Schräg und Bizarr gleich abseits vom Mainstream und damit Gut", der immer wieder gerne gesungen wird, kann sich natürlich bewahrheiten, genauso kann darin aber auch ein Versagen vor der Erzählung zum Ausdruck kommen. Denn "Schräg und Bizarr" kann innerhalb eines Spielfilms immer nur der Anfang sein, um im Dienste der Erzählung zu stehen. Die Tätigkeit der Hauptfigur in "Saint Martyrs" steht in der Tradition des Films, eine seltsame Geschichte erzählen zu wollen, Flavien arbeitet als Journalist für ein Sensationsblatt. Das letzte Titelbild zierte eine Frau mit drei Brüsten. Der Verleger zieht Flavien von der aktuellen UFO-Recherche ab und schickt ihn zusammen mit dem Photographen Armand in ein kleines Dorf, in dem des öfteren Menschen spurlos verschwinden. An der Hotel-Rezeption werden die beiden von einer älteren Dame erwartet, die, wie sich später herausstellt, bereits seit Jahren tot ist. Nach dem Bezug der Zimmer ist Armand plötzlich verschwunden. Die Suche nach seinem Kollegen und Freund führt Flavien in ein Diner, in dem die Besitzerin die Gäste in Reizwäsche bedient. Aber auch hier findet er keine genaueren Informationen über den Verbleib seines Freundes. Je genauer Flavien nachfragt, desto unwirscher fallen die Reaktionen der Bewohner aus. Langsam senkt sich eine bedrohliche Atmosphäre über den Journalisten herab.
Dabei greift Robin Aubert in "Saint Martyrs" zu einer Dramaturgie, die von einer seltsamen Begegnung zur nächsten umherwabert. Die Frau in Reizwäsche, ein 50er-Jahre-Rock'n'roll-Anhänger mit Elvis-Frisur oder zwei Motorradfahrer, die des Nächtens mit rasendem Tempo an Flavien vorbeifahren, sorgen für eine bizarre und schräge Atmosphäre. Es gelingt Aubert auch, das gewinnbringend für seinen Film einzusetzen, indem eine surreale Bedrohungsstimmung über allem liegt. Es gelingt Aubert jedoch nicht, das zu einem brauchbaren Abschluss zu bringen. Das Ende, genaueres wird natürlich nicht verraten, liefert eine innerhalb des Horrorgenres vergleichsweise gewöhnliche, wenn auch unangenehme Auflösung der Ereignisse, da sein Science-Fiction-Anteil nur wie ein nettes Gimmick wirkt. Das Surreale der Erzählung und das Gewöhnliche des Endes verbinden sich niemals zu einer Einheit, da beide in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen. Die merkwürdigen Figuren wie beispielsweise der Rock'n'roll-Anhänger mit Elvis-Frisur, welcher die Hauptfigur erst anpöbelt und dann verprügelt, deuten nicht über sich hinaus. Im Gegensatz zu den Bilderwelten eines David Lynch, der über die Erwähnung der Fernsehserie "Twin Peaks" auf dem Cover der DVD indirekt als Vorbild angepriesen wird, entsteht bei "Saint Martyrs" niemals der Eindruck, dass sich hinter den seltsamen Figuren Abgründe auftun. Das liegt zum einen daran, dass sie keine für die Auflösung relevante symbolische Konnotation besitzen, zum anderen aber auch nicht zu einem sozialen Netz verknüpft werden. Denn die wenigen Ereignisse aus der Vergangenheit reichen dazu keineswegs. Die Figuren tauchen als Einzelwesen immer wieder auf und stehen als solche monolithisch in der Landschaft. Dadurch wird das Bizarre zum Selbstzweck, Robin Aubert kapituliert vor der Aufgabe, ein komplexes Netz aus Beziehungen und Themenverflechtungen zu knüpfen, er versagt vor der Erzählung.

Bildqualität

Das blitzsaubere Bild glänzt mit einer sehr guten Schärfe, die viele Details wieder gibt. Durch massiven Filtereinsatz wurden die Farben entsättigt, so dass der Film in den meisten Szenen eine metallische, kontrastreiche Optik erhält. Dies wurde gut auf die DVD übertragen. In Bewegungen neigt das Bild zu einem leichten Kantenflimmern, wodurch die Schärfe etwas leidet. Der Kontrast arbeitet gut, manchmal werden in dunklen Szenen aber Details verschluckt. Nennenswerte Rauschmuster gibt es nicht.

Tonqualität

Der 5.1-Ton liefert eine dezente räumliche Atmosphäre, die sich hauptsächlich über die Musik verbreitet. Ansonsten bleibt die Geräuschkulisse weitgehend auf die vorderen Boxen beschränkt. Da hätte man sich bei einem atmosphärischen Horrorfilm ein paar mehr Effekte gewünscht. Die Dialoge sind klar und verständlich.

Extras

Das etwa 16minütige Making Of ist eine wirre Mischung aus B-Roll-Material, Filmszenen und Interviewschnipseln mit recht banalem Inhalt. So erfährt man beispielsweise vom Regisseur, dass er alle Freiheiten hatte und diese auch seinen Schauspielern lässt. Eine thematische Struktur ist innerhalb des Schnitts nicht erkennbar.
Die 13 entfallenen Szenen zeigen häufig kleine Andeutungen auf die Vorgänge im Dorf und wurden vermutlich herausgeschnitten, um die Geschichte mysteriöser zu gestalten. Nach der Ansicht des Films sind sie eine willkommene Ergänzung. Besonders sehenswert ist "1. Traum: Lange Version". Die Szene funktioniert als viereinhalbminütiger Kurzfilm mit einem surrealen Bilderreigen ohne Erzählungsambitionen und ist damit besser als alles, was der Hauptfilm zu bieten hat.
Der etwa fünfminütige Beitrag "Die Maske" zeigt im Detail, wie das verweste Gesicht der toten Braut erstellt wurde. Ein interessanter Einblick in die Arbeit der Effektemacher.
Der Trailer und eine Fotogalerie runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

"Saint Martyrs - Stadt der Verdammten" gefällt sich in einer Präsentation bizarrer Figuren und Szenerien, die niemals eine abgründige Intensität entfalten können, da ihnen der innere Zusammenhang fehlt. Vor allem das Ende enttäuscht innerhalb des seltsamen Reigens. Technisch ist die DVD recht gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Saints-Martyrs-des-Damnés (Kanada 2005)
Länge 112 Minuten (Pal)
Studio mcone
Regie Robin Aubert
Darsteller François Chénier, Isabelle Blais, Monique Mercure, Sylvie Boucher, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Französisch
Untertitel Deutsch
Extras Making Of, Deleted Scenes, u.m.
Preis ca. 17 EUR
Bewertung schwach, technisch gut