Träume am Vorabend des Krieges

The Place promised in our early Days

Sommer, Sonne und Jugend strahlen die Unbekümmertheit aus, welche auf dem Weg zum Erwachsensein in der Regel verschwindet. Makoto Shinkais erster Langfilm „The Place promised in our early Days“ beginnt mit einem unweigerlich letzten Sommer jugendlicher Leichtigkeit, der drei Jahre später am Vorabend des Krieges in der Erinnerung einer der Hauptfiguren auf metaphorische Weise menschliche Sehnsüchte nach einer friedlichen Existenz symbolisieren soll. Die zwei Freunde Hiroki und Takuya schrauben an einem alten Flugzeug herum, das sie gefunden haben. Den Arbeitslohn ihrer Schülerjobs stecken sie die Teile, welche sie zur Ausbesserung des Flugzeugs benötigen. Hiroki, der sich in die Mitschülerin Sayuri verliebt hat, lädt das Mädchen ein, an seinem gemeinsamen Traum mit Takuya Teil zu haben. Sie wollen mit dem Flugzeug zu dem gewaltigen Turm direkt hinter der Grenze fliegen, der bis zum Himmel reicht. Er steht auf dem nördlichen Gebiet des in der Filmrealität nach dem Zweiten Weltkrieg geteilten Japans, das durch die Union kontrolliert wird. In den südlichen Landesteilen herrschen die USA. Am Ende des Sommers platzt der Traum der drei Schüler, als Sayuri plötzlich verschwindet. Drei Jahre später steht Japan vor einem Krieg zwischen Nord und Süd. Takuya arbeitet in einem Forschungsinstitut, das sich mit der Funktionsweise des riesigen Turmes beschäftigt. Das Bauwerk tauscht in seiner direkten Umgebung Räume mit Paralleluniversen aus. Hiroki, der den Traum noch nicht vergessen hat, fristet ein depressives Dasein in Tokio. Als er erfährt, das Sayuri seit Jahren im Koma liegt, ist die Zeit des Handelns gekommen.

Dass sich Hiroki in Zeiten der Depression und des drohenden Krieges an den unbeschwerten Sommer vor drei Jahren erinnert, dessen Ende auch das Ende der Unbeschwertheit markiert, ist kein Zufall. Die damals omnipräsente Freundschaft sowie die sehnsuchtsvolle Schönheit, welche jugendlichen Träumen innewohnt, bildet den positiv besetzten Gegenentwurf zur bedrückenden Gegenwart. Die Idylle hat jedoch nur eine begrenzte Haltbarkeit, da sie untrennbar mit dem Lebensabschnitt der Jugend verknüpft ist. Makoto Shinkai zelebriert diese Zeit mit detailliert gestalteten Bildern. Selten zuvor gab es in einem Anime so viele Lichteffekte zu sehen wie in „The Place promised in our early Days“. Auf ein visuell überwältigendes Tableau folgt das nächste, welches mit seinem Vorgänger wetteifert. Auch wenn sich die Bildsprache aufgrund der Fülle auftrumpfender optischer Reize am Rande der Beliebigkeit bewegt, gelingen doch immer wieder Szenen, deren Pathos das gefühlvolle Thema der verlorenen Unbeschwertheit auf dem Weg zum Erwachsenen kraftvoll überhöht. Die oftmals einfallenden Lichtkegel, in denen Gesichter entsprechend erleuchtet werden, verleihen den drei Schülern fast schon eine religiöse Reinheit im Sinne eines utopischen Idealbildes, dessen Bewahrung zwar unmöglich ist, weil man nun einmal erwachsen wird, das aber immer als Leitbild bewahrt werden sollte.

Für ambivalente Töne im Idyll sorgt zum einen der Turm, mit dem der Traum der Schüler verknüpft ist, und zum anderen das Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Das riesige Bauwerk demonstriert Machtanspruch und präsentiert eine Herrschaftssymbolik, die in einem System konkurrierender Staaten oder auch Individuen maßgeblich für den Tod eines harmonischen Miteinanders verantwortlich ist. Dass der Traum der drei Schüler sie nun unbedingt auf eine Reise zum Turm führen soll, symbolisiert deren unweigerlichen Aufbruch in ein Dasein, das ohne Konkurrenz und damit widerstreitende Herrschaftsansprüche nicht denkbar ist. Während der Turm nur ein Symbol dafür ist, bereitet die konkrete Handlung die Thematik vor. Das Verhältnis der zwei Jungen und des Mädchens untereinander ist nicht ganz so idyllisch wie der Rest. Konkurrenz und Konflikte – hier um die Liebe zu einem Mädchen - werden bereits angedeutet, ohne offen auszubrechen. Das bereitet den Zeitsprung in eine Realität vor, die das harmonische Miteinander nur noch als fernes Echo kennt. Es bildet ein Ideal, dem Makoto Shinkai sein filmisches Denkmal setzt. Während der Film auf der miteinander verwobenen metaphorischen Ebene wunderbar funktioniert, wenn man etwas für pathetische Bilder und Musik – hier dominieren tragische und zuckersüße Geigenmelodien – übrig hat, steht die vordergründige Handlung dem in allen Punkten nach. Zusätzlich zur Dreiecksgeschichte entwirft Makoto Shinkai Handlungsfetzen – anders kann man sie nicht nennen – um Paralleluniversen, eine Terrororganisation und den Krieg. Dabei bleibt er aber so elliptisch, das sie letztlich nur Mittel zum Zweck sind, eine unübersichtliche Welt drei Jahre nach den Jugenderlebnissen zu gestalten. Das wirkt lieblos und hektisch entwickelt, denn gerade auch die Gegenwelt zur Idylle hätte eine detaillierte Ausarbeitung gut gebrauchen können, um dem Film eine größere Kraft zu verleihen. In der fertigen Form macht er es seinen Kritikern leicht, ihn als hemmungslosen Kitsch abzutun, der er nicht ist.

Bildqualität

Wie bei einem Animationsfilm nicht anders zu erwarten ist die Bildqualität natürlich exzellent. Alles ist gestochen scharf, sofern es gestochen scharf sein soll. Defekte oder Dreckspuren gibt es nicht. Auch Rauschmuster treten nicht auf. Der Kontrast ist sehr gut. Die Farbwiedergabe lässt die eindrucksvollen Tableaus in ihrer ganzen Schönheit erstrahlen.

Tonqualität

Die beiden 5.1-Spuren liefern klar verständliche Dialoge ohne störendes Rauschen. Für die räumliche Atmosphäre ist vor allem die Musik verantwortlich, welche mit klarer Qualität aus den Lautsprechern ertönt. Darüber hinaus halten sich räumliche Effekte eher in Grenzen.

Extras

Das 12minütige Interview mit Regisseur Makoto Shinkai geht hauptsächlich auf die Arbeitsweise während des Projektes ein, ohne dabei übermäßig detailliert zu werden. Dennoch ist es ganz interessant zu hören, wie sich Makoto Shinkai, der seinen zuvor gedrehten Kurzfilm vollständig im Alleingang realisierte, etwas stärker auf Teamarbeit einstellen musste und wollte. Die Auswahl der Sprecher für die Hauptfiguren erläutert der Regisseur ebenfalls. Das etwa 10minütige Interview mit Hiroki-Sprecher Hidetaka Yoshioka widmet sich ebenso wie das etwa 12minütige Gespräch mit Sayuri-Sprecherin Yuka Nanri der persönlichen Beziehung, welche beide Darsteller zur Geschichte entwickelt haben. Sie ordnen das Geschehen ein und liefern ihre Interpretationsansätze dazu. Daneben schildern sie ihre Eindrücke über Regisseur Makoto Shinkai und erwähnen eine Anekdote während der Synchronarbeiten. Das etwa 11minütige Gespräch mit Takuya-Sprecher Masato Hagiwara besitzt einen gänzlich anderen atmosphärischen Ton. Masato Hagiwara äußert sich in weniger nachdenklicher Weise. Stattdessen poltert er stärker drauf los und lässt sich eher vom Offensichtlichen leiten. Ein kleiner Einführungskurs in die japanische Sprache, der sich auch kurzer Filmausschnitte bedient, rundet das Bonusmaterial ab.

Fazit

Die metaphorisch verdichtete Geschichte über das Erwachsen werden entwickelt sich zu einem reichhaltigen Bilderrausch, welcher die entscheidenden emotionalen Szenen so überhöht, dass die Erzählung einen allgemeingültigen Charakter zu Freundschaft, verlorener Unschuld und menschlichen Sehnsüchten erhält. Das direkte Handlungsgeschehen gerät dabei jedoch so weit ins Hintertreffen, dass die Erzählung jenseits der metaphorischen Idee an vielen Stellen bruchstückhaft und verworren wirkt. Technisch ist die DVD sehr gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Kumo no mukô, yakusoku no basho (Japan 2004)
Länge 86 Minuten (Pal)
Studio Rapid Eye Movies
Regie Makoto Shinkai
Darsteller mit den Stimmen von Hidetaka Yoshioka, Yuka Nanri, Masato Hagiwara, u.a.
Format 1:1,78 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Japanisch
Untertitel Deutsch
Extras Interviews, Sprachkurs, Trailer
Preis ca. 19 EUR
Bewertung unausgewogen, technisch sehr gut