Nimm dich in Acht vor dem weißen Ballon!

Nummer 6 (komplette Serie auf 7 DVDs)

Patrick McGoohan verkörperte in der britischen TV-Serie „Danger Man“ (1964 – 68) den Geheimagenten John Drake, der immer dann gerufen wurde, wenn der Karren wieder aus dem Dreck gezogen werden musste. Die Serie folgte dem klassischen Muster damaliger TV-Unterhaltung mit einem Bösewicht, der am Ende jeder Folge zur Strecke gebracht wurde. Ganz anders legte McGoohan seine eigene Kreation „Nummer 6“ an, in welcher er als Ex-Geheimagent einen Gegenentwurf zu seinem bisherigen Image präsentierte. In der brillanten Titelsequenz, die völlig ohne Dialoge auskommt, stürmt McGoohan erbost in das Büro seines Vorgesetzten und kündigt seine Geheimdiensttätigkeit. Danach fährt er nach Hause, um seine Koffer zu packen. Dabei strömt Gas in seine Wohnung und er erwacht in einem kleinen Dorf, das als Freiluftgefängnis dient. Es gibt elektronische Kontrollen, an jeder Ecke befinden sich Überwachungskameras und bei besonders hartnäckigen Fällen sorgt ein großer, weißer Ballon für die Rückkehr der Fliehenden. Alle Bewohner tragen Nummern, McGoohans Figur ist fortan Nummer 6. Als Vertreter der Obrigkeit versucht Nummer 2, die Gründe für Nummer 6 Austritt aus dem Geheimdienst in Erfahrung zu bringen. Aber Nummer 6 will keine Informationen preisgeben, sondern in Freiheit leben.

„Nummer 6“ verbindet Elemente des Agentengenres mit einem bis dahin ungekannten Maß an Paranoia. Der Held ist kein Agent, der als Supermann die Probleme löst, an denen sich sonst niemand die Finger schmutzig machen möchte, sondern ein Mensch, dem der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Dank seines starken Willens vermag Nummer 6 den psychologischen Tricks seiner Bewacher zu widerstehen. Er versucht, das Rätsel hinter dem Dorf zu lösen, dessen Elemente seine Irrealität verstärken. Bei Beerdigungen spielt die örtliche Kapelle den schmissigen Radetzky-Marsch, die Taxis sind offene Buggys, im Büro der Nummer 2 steht ein Hochrad und bei Fluchtversuchen zeigt sich die Allmacht der Bewacher. So normal das Leben auch zu sein scheint – es gibt einen gewählten Stadtrat, jeden Tag erscheint eine Zeitung –, immer wieder tauchen leichte irritierende Realitätsverschiebungen auf, die das Geschehen in die Nähe einer Psychose rücken. So wird alles zu einem großen philosophischen Rätsel über Fragen der Existenz, das mit beängstigender Elastizität auf alle logischen Ergründungsversuche reagiert. Gleichzeitig reflektiert das paranoide Geflecht aus Agentenmilieu und Überwachungsstaat die politische Situation des kalten Kriegs, in der Vertrauen ein ebenso hohes wie seltenes Gut war. Diese Vielschichtigkeit, welche auch grundsätzliche Fragen moralischer Integrität streift, macht „Nummer 6“ zu einem Meilenstein der TV-Unterhaltung.

Bildqualität

Wenn man „Nummer 6“ mit Veröffentlichungen anderen TV-Serien aus damaliger Zeit vergleicht, dann nimmt diese Edition bei der Bildqualität einen Spitzenplatz ein. Bilddefekte und Verschmutzungen halten sich in engen Grenzen. Die Schärfe fällt für eine Serie aus den 60er Jahren gut aus, sowohl die Konturen- als auch die Detailzeichnung können vor diesem Hintergrund überzeugen. Die Farben sind kräftig, der Kontrast sorgt für ein ausgewogenes Bild. Das leichte Rauschen stört kaum.

Tonqualität

Der englische 2.0-Mono-Ton fällt wie gewöhnlich dumpfer aus als die deutsche Synchronisation, dafür sind die Nebengeräusche organischer in die Tonkulisse integriert. Störendes Rauschen gibt es nicht. Die vier Folgen, die bislang nicht in Deutschland zu sehen waren, liegen auf Englisch mit deutschen Untertiteln vor.

Extras

Zu den ersten beiden Folgen „Die Ankunft“ sowie „Die Glocken von Big Ben“ liegen alternative Fassungen vor, deren Bild- und Tonqualität wesentlich schlechter ist, als bei den regulären Folgen. Die Unterschiede bei „Die Ankunft“ sind völlig belanglos, da der Erzählung nichts hinzugefügt wird, es handelt sich um winzige Änderungen an bestehenden Szenen. Bei „Die Glocken von Big Ben“ hingegen gibt es eine zusätzliche Szene, in der Nummer 6 ein griechisches Instrument zur Positionsbestimmung nachgebaut hat, der Abspann endet mit einer interessanten Alternative. Beide Alternativversionen besitzen über der Titelsequenz eine andere Musik.

Im 25minütigen Interview erinnert sich Bernard Williams (Produktion) detailreich an die Produktionsumstände. Bei Drehbeginn waren kaum Drehbücher fertig, manches wurde noch umgeschrieben und Patrick McGoohan, der als einziger den Überblick zu haben schien, hielt sich bedeckt. Williams gibt einen ebenso interessanten wie kenntnisreichen Überblick zur Entstehung der Serie.

Die Featurette „For the Love of: Fans of the Prisoner“ (etwa sechs Minuten) liefert ein paar interessante Einblicke in die Fanszene. Unter anderen kommt der Betreiber eines Fanshops im Drehort der Serie, dem walisischen Portmeirion, zu Wort. Hinter „Textless Intro und Outro“ verbergen sich Vor- und Abspann ohne die Schrifteinblendungen. Der „Internationale Altenschrank“ zeigt die verschiedenen Versionen des „Resigned“-Schriftzugs aus der Titelsequenz, die man für die unterschiedlichen Länder drehte, in denen die Serie ausgestrahlt wurde. Zwei Werbe-Bumpers (eine Art Mini-Teaser mit der Hochradgraphik), der deutsche Vorspann, eine Bildergalerie, Trailer zu jeder Episode und das informative 35seitige Booklet runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Nummer 6“ zählt mit seiner brillanten Mischung aus Agentengenre und Paranoiamotiven, die in einem existenzialistisch-philosophischen Rätsel verwoben werden, zu den Meilensteinen der TV-Unterhaltung. Technisch ist die DVD angesichts des Serienalters gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel The Prisoner (GB 1967)
Länge 17 Episoden á 48 Minuten (Pal)
Studio Koch Media
Regie Don Chaffey, Pat Jackson, Patrick McGoohan, u.a.
Darsteller Patrick McGoohan, Angelo Muscat, Peter Swanwick, u.a.
Format 1:1,33 (4:3)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Alternative Versionen der Folgen „Die Ankunft“ und „Die Glocken von Big Ben“, Interview mit Bernard Williams (Produktion), u.m.
Preis ca. 58 EUR
Bewertung sehr gut, technisch gut