Im märchenhaften Zauberland

Der Mythos

Auch mit gut 50 Jahren auf dem Buckel gehört Jackie Chan noch nicht zum alten Eisen und beweist in „Der Mythos“ wie originelle Action-Choreographien die nachlassende Gefährlichkeit der Stunts mehr als aufwiegen können. In einer zentralen Szene befindet sich der von Chan gespielte Archäologe auf der Flucht vor indischen Sicherheitskräften. Sein Partner hatte ihn durch Schändung eines Heiligtums in die Bredouille gebracht, eine indische Prinzessin – Bollywood-Schauspielerin Mallika Sherawat – hilft ihm, der Ordnungsmacht zu entkommen. Dabei geraten alle Beteiligten in einer Fabrik auf eine Leimpapierfertigungsstrasse, so dass ein Fortkommen nur noch durch Ausziehen der Schuhe oder anderer Kleidungsstücke möglich ist, je nachdem wo man gerade festklebt. mythosNatürlich bekämpfen sich die Akteure zusätzlich, so dass eine ebenso einfallsreiche wie rasante und amüsante Action-Szene entstanden ist, die ihresgleichen sucht. Der Film beweist an dieser Stelle auch auf der Action-Ebene seine Liebe zur Phantasie, die sich in der Geschichte fortsetzt. Denn Chan spielt eine Doppelrolle als Archäologe und kaiserlicher General des ersten chinesischen Herrschers. Immer wieder taucht der Archäologe in Träume ein, die um Erlebnisse seines Alter-Egos, dem kaiserlichen General, kreisen. Der militärische Bedienstete verliebt sich aufgrund einiger spektakulärer Ereignisse in eine kaiserliche Konkubine. Die Gefühle stehen im Widerstreit zur tief empfunden Loyalität zum Kaiser. Die Träume animieren den Archäologen, das Angebot eines alten Weggefährten anzunehmen, dem Mythos der Schwerelosigkeit auf den Grund zu gehen, der in einer kleinen alten Kultur bis heute lebendig ist. Schnell erkennt der Archäologe die Verbindung zwischen den beiden Ebenen, so dass er hofft, den Schlüssel zu seinen Träumen entdecken zu können. Aber er weiß nicht, dass das Forschungsprojekt in Wirklichkeit durch einen finsteren Gesellen finanziert wird, mit dem er in der Vergangenheit bereits aneinander geraten war.

Alles innerhalb des Films funktioniert auf einer märchenhaften Ebene. Der Archäologe ist die typische gute Jackie-Chan-Figur, welche peinlich berührt ist, wenn sein Partner wenig Achtung vor den Heiligtümern anderer Kulturen zeigt. Er ist beseelt vom Glauben an das Gute im Menschen, versucht bei Missverständnissen auch mit Waffen angreifende Personen durch Worte von mythosihrem Tun abzubringen oder gibt zurück, was andere gestohlen haben, weil es richtig ist. Ihm gegenüber steht ein Schurke, der bis zum Finale aber im Hintergrund bleibt, sein Partner symbolisiert den „normalen“ Menschen mit seiner Verführbarkeit durch das Böse. Sein Einfluss auf den Archäologen ist aber gering, weil das Gute nicht dauerhaft getäuscht werden kann. Diese Konstruktion setzt „Der Mythos“ in Verbindung zu einer Liebesgeschichte, die ihrerseits den singulären Wert echter Gefühle betont und deren Wahrhaftigkeit so rein ist, dass sie bis in die heutige Zeit ausstrahlt und sich in den Träumen des Archäologen manifestiert. Darin kommen menschliche Sehnsüchte sowie Hoffnungen zum Ausdruck, die in reiner Form selbst ein Mythos sind. Der Film reflektiert über solche Wunschvorstellungen, indem er sie auf zauberhafte Weise zu einem Idealbild stilisiert, aber die Überhöhung durch die phantastische Konstruktion stets sichtbar werden lässt. Dabei fließen die verschiedenen Ebenen elegant ineinander und lassen auch den Action-Aspekt nicht zu kurz kommen. „Der Mythos“ ist der große Wurf, den man sich von Jackie Chan im phantastischen Genre gewünscht hat.

Bildqualität

Bei „Der Mythos“ handelt es sich mit einem Budget von 15 Millionen Dollar um eine asiatische Großproduktion und genau so sieht die DVD auch aus. Keinerlei Verschmutzungen oder Bildpunkte stören das Bild, seine ausgezeichnete Schärfe zu entfalten. Sowohl Konturen als auch Hintergrunddetails werden exzellent dargestellt. Die Farben sind so bunt und kräftig wie man es für einen „halben“ Kostümfilm erwarten kann. Der Kontrast sorgt für ein plastisches Bild, der Schwarzwert ist tief, Details werden aber nicht verschluckt. Das leichte Hintergrundrauschen fällt kaum ins Gewicht.

Tonqualität

Auch bei der Tonkulisse beweist die DVD ihre Qualitäten. Die beiden 5.1-Spuren bieten einen effektreichen Sound, der immer wieder die hinteren Boxen mit ins Geschehen einbezieht. Das gilt sowohl für die Musik als auch die atmosphärischen Geräusche im Schlachtgetümmel des Kaiserreichs oder bei den Auseinandersetzungen der Gegenwart. Immer wenn es die Action verlangt baut die Anlage eine druckvolle Kulisse auf. Die Dialoge sind ebenfalls klar und verständlich, so dass es keinen Grund zur Kritik gibt.

Extras

Auf der Hauptfilm-DVD ist zusätzlich ein Audiokommentar des Regisseurs Stanley Tong zusammen mit der Produzentin Barbie Tung und dem Ausstatter Oliver Wong enthalten. Aspekte des filmischen Designs bilden den Schwerpunkt des Kommentars. Sehr ausführlich äußern sich die drei Sprecher über die Gestaltung einzelner Szenenbilder und erzählen etwas über die Drehorte. Daneben erläutert Tong die Stunt-Drehs. Insgesamt ein informativer Kommentar.

Auf einer zweiten DVD befinden sich ein Making Of (etwa 20 Minuten), zwei Musikvideos sowie Behind-the-scenes-Material, das in acht Kapitel unterteilt ist (zusammen etwa 88 Minuten). Dabei funktioniert letzteres wie eine Art Directors Cut des Making Ofs, mit dem Unterschied, dass die untertitelten Interviews nicht enthalten sind. Diese verbreiten im Making Of aber auch weitgehend Werbebotschaften, so dass ihr Fehlen nicmythosht weiter auffällt. Dennoch muss kritisiert werden, dass das Behind-the-scenes-Material nicht untertitelt wurde, so dass die enthaltenen Sequenzen, in denen etwas besprochen wird, völlig wertlos bleiben. Insofern entfaltet das unkommentierte B-Roll-Material vor allem dann Qualitäten, wenn die Technik hinter den Actionszenen deutlich wird. Das ist beispielsweise im ersten Abschnitt der Fall, wo beobachtet werden kann, dass hier nicht mit computertechnischen Tricks gearbeitet wurde, sondern der Wagen der Prinzessin an Stahlseilen hängend an einen echten Gebirgsabgrund geschoben wurde. Im vorletzten Abschnitt sind ausführlich die Dreharbeiten im Green-Screen-Studio zu sehen, wo die Schwebszenen des Finales entstanden sind. Dazwischen liegt sehr viel Leerlauf, der durch die Art des Materials, das nicht aufbereitet wurde, bedingt ist.

Das Lied „Endless Love“, gesungen von Jackie Chan und Hee-seon Kim, ist mit einer chinesischen (Mandarin) sowie internationalen Variante des Musikvideos auf der DVD enthalten. Beide Versionen unterscheiden sich augenscheinlich nur durch die chinesischen Schriftzeichen, die in der chinesischen Version eingeblendet werden. Deutsche Untertitel gibt es bei beiden Videos nicht, was umso unverständlicher ist, da das Video am Ende des Making Ofs auch auftaucht, und zwar deutsch untertitelt. Hier waren wohl faule Programmierer am Werk.

Fazit

Konsequent setzt Stanley Tong die Geschichte um einen Archäologen, der im Traum die tragische Liebesgeschichte seines Alter Egos zur Zeit des ersten chinesischen Kaisers erlebt und in der Gegenwart nach der Lösung seiner Träume forscht, als zauberhaftes Märchen an exotischen Schauplätzen um. Dabei kommt auch die Chan-typische Humor-Action nicht zu kurz. Technisch ist die DVD sehr gut, das Bonusmaterial auf der Zusatz-DVD fällt eher mickrig aus, der Audiokommentar besitzt für diejenigen einen Wert, die sich für technische Aspekte sowie die künstlerische Ausstattung interessieren.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel San wa (Hongkong 2005)
Länge 116 Minuten (Pal)
Studio Splendid
Regie Stanley Tong
Darsteller Jackie Chan, Tony Leung Ka Fai, Hee-seon Kim, Mallika Sherawat, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 5.1 Kantonesisch, Deutsch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar von Stanley Tong (Regie), Making Of, u.m.
Preis ca. 18 EUR
Bewertung sehr gut, technisch sehr gut