Neuanfang im Niemandsland

Middle of Nowhere (Blu-Ray)

Die amerikanische Einöde ist ein Ort, den die meisten jungen Leute verlassen wollen. Für Dorian, den Sohn reicher Eltern, soll sie eine zweite Chance sein. Er wird zur Disziplinierung ins Niemandsland geschickt, wo er bei seinem Onkel wohnen und in einem Spaßbad arbeiten soll. Dort lernt er Grace kennen, deren Hoffnungen auf ein Studium sich verflüchtigt haben, weil ihre Mutter auf ihren Namen Kreditkartenschulden gemacht hat. Grace ist deswegen nicht kreditwürdig, so dass ihre Anfrage nach einer Finanzierungsunterstützung des Studiums abgelehnt wird. Grace' Mutter reagiert darauf sehr gelassen, weil sie ohnehin ein viel größeres Interesse an ihrer zweiten Tochter Tayler Elizabeth hat, die unbedingt eine Modelkarriere starten soll. Es ist allerdings etwas unklar, wer von beiden das größere Interesse daran hat. Als Dorian ein Gespräch mithört, das Grace mit einer Freundin führt, erfährt er von den finanziellen Schwierigkeiten. Er bietet Grace einen Job als seine Fahrerin an. Sie soll ihn zu Kunden kutschieren, die Marihuana kaufen. Zu ihrer eigenen Überraschung nimmt Grace das Angebot an.

Regisseur John Stockwell gelingt ein fein beobachtetes Panoptikum der Figuren, die sich mit ihren Lebenslügen, Zielen und Herausforderungen für die Zukunft im amerikanischen Niemandsland über den Weg laufen. Grace glaubt, als ältere Schwester stets kontrolliert durchs Leben gehen zu müssen, zumal die Mutter keinen übermäßig erwachsenen Eindruck macht. Sie kann die Rolle als vernünftigen Part der Familie jedoch unmöglich ausfüllen, weil sie das neben ihrer Tätigkeit im Spaßbad und ohne gesicherten Platz im Leben überfordert. In Dorian trifft sie einen anderen, weniger vernünftigen Charakter, der gegen die Anständigkeit seiner Eltern rebelliert, indem er Drogen verkauft und den reichen Lebensstil ablehnt. Beide befinden sich in einer Phase des Suchens, die sie von verschiedenen Polen aus begonnen haben. Grace ist zu zugeknöpft und Dorian zu stark auf eine Abgrenzung von seinen Eltern fixiert. Im jeweils anderen finden sie deswegen etwas, was ihnen bisher im Leben gefehlt hat. In Stockwells Film wird daraus eine ebenso feinfühlig erzählte wie gewinnbringende Beziehung zwischen Grace und Dorian, wobei die Interessen unterschiedlich ausfallen. Während sich Dorian in Grace verliebt, was in einer wunderschönen Waschsalonszene zum Ausdruck kommt, in der Dorian Grace erst zum Tanzen animiert und ihr dann eine Kuss gibt, sucht Grace neben dem Geld auch Abstand von ihrer Rolle als kontrolliert agierende Person.

In diesem Ausbruch sieht sie eine Möglichkeit, sich neu orientieren zu können. Dazu zählt auch die Annäherung an Ben, den Sohn reicher Eltern, dessen Anwesenheit bei Dorian sofort zur Eifersucht führt. In der Konstellation bündelt Stockwell ganz kompakt das Spannungsverhältnis seiner Charaktere. Denn Ben repräsentiert für Dorian das, wovor er wegläuft, während Grace den Menschen Ben sieht. Ben ist deswegen der Katalysator, der Dorians rein ideologische Sicht in Frage stellt und Grace die Möglichkeit gibt, sich stärker zu entfalten. Stockwells Qualität ist es, auch den Nebenfiguren den entsprechenden Raum zur Entfaltung zu geben. Wenn sich Grace' Schwester Tayler Elizabeth auf einer Party mit Wodka volllaufen lässt, weil sie zuvor von Ihrer Tante erfahren hat, dass ihre Mutter mit dem Onkel ein Verhältnis hat, das letztlich verantwortlich für ein tragisches Ereignis der Vergangenheit ist, dann kann man beim Zusammenbruch einiger Stützpfeiler zusehen, die Taylers bisherige Welt ausgemacht haben. Dabei setzt Stockwell aber nicht auf den großen Krawall, sondern auf die langsame Entwicklung, die weiterhin Raum für eine Neuentwicklung lässt. In seinem komödiantischen Drama wird nichts völlig zerstört, aber fast alles gerät in Bewegung, damit der Neuanfang, in dem die Hoffnung auf Besserung aufgehoben ist, möglich wird.

Bildqualität

Das saubere Bild der Bluray besitzt eine gute Schärfe bei den Nahaufnahmen, während bei den Totalen die Detailfreudigkeit etwas nachlässt. Die Konturenzeichnung bleibt aber gut. Die Farben wirken kräftig, ohne künstlich auszusehen. Der Kontrast macht eine weitgehend ordentlich Figur, wenn auch gelegentlich Details in dunklen Szenen verschluckt werden. Das ist aber nur selten und auch nicht in besonders starkem Maße der Fall. Das Bild ist durchgehend körnig, wobei sich die Intensität zwischen einzelnen Szenen deutlich unterscheidet. Zumeist bleibt das Filmrauschen, das aus der Produktionsumständen resultiert, aber schwach. Sonstige Rauschmuster treten nicht in Erscheinung.

Tonqualität

Aufgrund des ruhigen Filmcharakters schwingen sich die 5.1-Tonspuren nicht zu besonders intensiven räumlichen Ausflügen auf. Die Musik kann hier ein wenig Arbeit verrichten, meistens nutzt der Ton aber nur die vorderen Lautsprecher. Diese werden aber in ihrer Bandbreite gut genutzt, die Dialoge sind klar und verständlich.

Extras

Das Bonusmaterial auf der Bluray besteht aus einem Making of (etwa 24 Minuten), in dem Filmausschnitte und Interviewschnipsel mit den Hauptdarstellern, dem Regisseur und anderen Mitgliedern des Produktionsteams zu sehen sind. Die Ausführungen bleiben stark auf der Ebene flockiger Werbebotschaften und reiner Inhaltsangabe. Insgesamt ein schwaches Making Of. Der Trailer und eine Bildergalerie runden das auf der Bluray enthaltene Bonusmaterial ab.

Fazit

„Middle of Nowhere“ ist ein komödiantisches Drama, das durch eine feine Figurenzeichnung sowie den einfühlsamen Aufbau besticht. In Stockwells Film bricht nicht alles völlig zusammen, aber fast alles ist in Bewegung, so dass ein Neuanfang möglich wird. Technisch ist die Bluray sehr ordentlich.

Stefan Dabrock

Originaltitel	Middle of Nowhere (USA 2008)
Länge	95 Minuten (24p)
Studio	Capelight
Regie	John Stockwell
Darsteller	Susan Sarandon, Anton Yelchin, Eva Amurri, Willa Holland, Justin Chatwin, u.a.
Format	1:1,85 (16:9)
Ton	DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel	Deutsch
Extras	Making Of, Bildergalerie, Trailer, BD-Live-Material
Preis	ca. 17 EUR
Bewertung	gut, technisch ordentlich