Winnetou der Superindianer

Mein Freund Winnetou

Im Gegensatz zu den Karl-May-Verfilmungen mit Pierre Brice als Winnetou, die zumindest ansatzweise auf Vorlagen des deutschen Schriftstellers beruhen, besitzt die Ende der 70er Jahre gedrehte TV-Serie „Mein Freund Winnetou“ ein gänzlich eigenständiges Drehbuch. Aus dem Karl-May-Universum nahm Drehbuchautor Jean-Claude Deret lediglich die Figuren Winnetou, Old Shatterhand und Sam Hawkins – die beiden letzten tauchen in Nebenrollen auf -, um eine Geschichte zu erzählen, die stärker historische Aspekte berücksichtigt als das in den berühmten Karl-May-Filmen der 60er Jahre der Fall war. Im Zentrum steht die freundschaftliche Beziehung zwischen dem Apachen-Häuptling Winnetou und einem jungen Komantschen, der vergeblich versucht Winnetous Pferd zu stehlen. Der Apache nimmt den Komantschen unter seine Fittiche, so dass er zu einer Vaterfigur für den jungen Indianer wird. Gemeinsam ziehen sie durch ein Land, in dem immer mehr Indianer zu einem Leben im Reservat gezwungen werden, die amerikanische Armee Verträge mit den Indianern bricht und eine Eisenbahngesellschaft ohne Rücksicht auf die ursprünglichen Bewohner den Schienenstrang in die weite Landschaft setzt. Winnetou bemüht sich um einen Ausgleich zwischen Indianern und Bleichgesichtern, muss aber feststellen, dass die Kräfte der Eskalation an Stärke zunehmen. Gleichzeitig soll dem alten Arapahoe-Häuptling Alter Bär, den Winnetou nach einem Kampf mit Banditen für tot hält, der Prozess gemacht werden. Die Armee wirft Alter Bär den Mord an einem kleinen Jungen vor, den die Weißen selbst erschossen haben. Als Winnetou erfährt, dass Alter Bär nicht tot, sondern im Gefängnis ist, will er seinem väterlichen Freund helfen.

Die Serie präsentiert ein seltsames Nebeneinander von historischen Bezügen und herzzerreißender Naivität, die vor allem in der konkreten Ausgestaltung einzelner Konflikte zum Tragen kommt. Der Eisenbahngesellschaftsvertreter tritt gegenüber den Indianern mit einer merkwürdig simpel gestrickten Haltung auf, die davon ausgeht, dass die Indianer willig ihr Land abgeben werden, wenn er mit ein paar Dollars wedelt. Der dahinter stehende grundsätzliche Konflikt besitzt eine historische Relevanz. Die Darstellung der Liebesbeziehung zwischen dem jungen Komantschen und einer Cheyenne-Indianerin gibt zwar vor, sich an den Gebräuchen der amerikanischer Ureinwohner zu orientieren, dient aber zur humorvollen Anreicherung der Erzählung, welche die Nebenhandlung in die Nähe des Klamauks rückt. Wenn der Komantsche unter einer Decke versteckt um seine Angebetete wirbt, worüber sich Winnetou amüsiert, dann fehlt der Szenerie die notwendige Würde, um dem fremden „Ritual“ Glaubwürdigkeit zu verleihen. Dadurch wird es unmöglich, nachzuvollziehen, wo historische Genauigkeit endet und reine Fiktion beginnt. Insofern schadet sich die Serie selbst bei ihrem Anliegen, das indianische Leben jenseits reiner Klischees glaubwürdig zu präsentieren. Dennoch ist der gute Wille erkennbar, der in einer indianerfreundlichen Aufarbeitung historischer Konflikte mündete. So bettet die Serie den Kampf der Indianer um das eigene Überleben und ihr Land in spannende Nebenhandlungen ein, die zwischen Humor und Drama schwanken. Eine besonders gelungene Figur ist in diesem Zusammenhang der Mitarbeiter des Büros für indianische Angelegenheiten, der ambivalent zwischen weißer Überheblichkeit und zunehmender Einsicht um das Unrecht an den Indianern schwankt. „Mein Freund Winnetou“ kann in solchen Figuren seine Stärken ausspielen, welche die Schwächen bei der teilweise naiven Präsentation zu korrigieren vermögen.

Bildqualität

Wie nicht anders zu erwarten fällt die Bildqualität schwach, aber noch brauchbar aus. Immer wieder tauchen Verschmutzungen oder Defekte auf, die Schärfe ist mittelmäßig. Das gilt sowohl für den Detailreichtum als auch für die Konturenschärfe. Die Farben sind leicht ausgebleicht, machen aber eine recht gute Figur. Das gesamte Bild ist deutlich verrauscht, der Kontrast fällt steil aus, so dass einzelne Bildinhalte immer wieder überstrahlen. Da es sich um eine Fernsehserie handelt, die Ende der 70er Jahre gedreht wurde, kann man mit dem Bild leben.

Tonqualität

Der Ton besitzt im Vergleich zum Bild eine deutlich bessere Qualität. Rauschen tritt nur leicht im Hintergrund auf, die Dialoge sind klar und verständlich. Die wunderschöne Musik des großartigen Komponisten Peter Thomas erklingt mit voller Intensität.

Extras

Das etwa 24minütige Interview mit Pierre Brice, welches im Mai 2007 geführt wurde, streift die schauspielerischen Anfänge des französischen Darstellers und geht dann zu Winnetou über. Darin äußert sich Brice über die Bedeutung der Winnetou-Rolle für seinen weiteren Werdegang und geht natürlich auch auf die vorliegende Serie ein. Ein sehr interessantes Gespräch.
Das etwa 48minütige Interview mit Siegfried Rauch, dem Old-Shatterhand-Darsteller in der Serie, hakt dessen Karriere in einigen zentralen Punkten ab. Rauch erinnert sich an viele Filme, Weggenossen und Kollegen, die er persönlich einordnet. Ein paar Anekdoten hat er auch parat. Darüber hinaus erzählt er auch, wie er die Rolle des Old Shatterhand in der vorliegenden Serie bekam. Das Interview ist weniger reflektiert als das mit Pierre Brice, liefert aber eine schöne persönliche Rückschau auf die Karriere des Siegfried Rauch.
Eine kurze Begrüßung von Pierre Brice sowie das 24seitige Booklet mit Einführungstext und Episodenführer runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

Die Serie besitzt ihre Qualitäten bei dem Versuch, die Indianer respektvoller darzustellen, als das sonst im Westerngenre üblich war. Dabei mündet sie teilweise in einer hölzernen Inszenierung, welche das Anliegen ein bisschen untergräbt. Dennoch lohnt „Mein Freund Winnetou“ einen Blick. Technisch ist die DVD brauchbar. Die Schwächen beim Bild sind größer als die beim Ton.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Winnetou le Mescalero (Frankreich/Schweiz 1979)
Länge 14 Folgen à 25 Minuten (Pal)
Studio Koch Media
Regie Marcel Camus
Darsteller Pierre Brice, Eric Do, Jean-Claude Deret, Ralf Wolter, Siegfried Rauch, u.a.
Format 1:1,33 (4:3)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch
Untertitel -
Extras Begrüßung von Pierre Brice, Interviews mit Pierre Brice und Siegfried Rauch
Preis ca. 28 EUR
Bewertung unausgewogen, technisch brauchbar