Die Mumie kehrt zurück

Loft

Mit seinem letzten Werk „Retribution“ („Sakebi“, 2006), der auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest zu sehen war, bewies Kiyoshi Kurusawa, dass er immer noch zu den eindrucksvollsten Regisseuren des langsamen Horrorfilms zählt. Seinen Ruf begründete er unter anderem mit Werken wie dem übernatürlichen Kriminalfilm „Cure“ („Kyua“, 1997) oder der Isolationsapokalypse „Pulse“ („Kairo“, 2001). Der 2005 entstandene „Loft“ setzt sich leider so aufdringlich zwischen alle Stühle, dass er für Freunde der Filme Kyoshi Kurusawas zwar faszinierend, aber nicht gelungen ist.

Die Geschichte spielt diesmal auf dem Land, dessen ruhige Atmosphäre der Schriftstellerin Reiko helfen soll, die aktuelle Schreibblockade zu überwinden. Nach einem preisgekrönten Erfolgsroman wünscht sich ihr Verlag eine beschwingte Liebesgeschichte mit Niveau, eben die Art Literatur, welche Dank eines gediegenen Stils Anspruch vortäuschen kann, ohne allzu schwer im Magen zu liegen. Im Vordergrund des Projektes stehen gute Verkaufszahlen. Auf dem Lande angekommen beobachtet Reiko ihren Nachbarn, der ganz offensichtlich einen in Plastik eingehüllten menschlichen Körper durch die Gegend trägt. Schnell stellt sich heraus, dass ihr Nachbar ein Wissenschaftler ist, der sich gerade mit einer 1000 Jahre alten Mumie beschäftigt. Aus Faszination will Reiko mehr über die Hintergründe erfahren. Zögerlich geht sie auf ihren Nachbarn zu. Gleichzeitig wird sie jedoch von Geistererscheinungen und der Halluzination geplagt, sie würde schwarzen Schlamm ausspeien. Reikos Lektor taucht bedrohlich lautlos in ihrem Landhaus auf, da er noch andere Interessen als das Romanprojekt zu haben scheint.

Um den Fluch ewiger Liebe – so der Eingangsmonolog – zu bebildern versucht Kiyoshi Kurusawa mit drei Handlungsteilen herum zu jonglieren. Nummer Eins gehört der Beziehung zwischen Reiko und Ihrem Lektor, der sich seiner Autorin in pathologischer Weise nährt. Nummer Zwei gehört der 1000 Jahre alten Mumie sowie der Beziehung zwischen Reiko und ihrem Nachbarn, die sich ineinander verlieben. Nummer Drei gehört der Geistererscheinung, die auf jeweils unterschiedliche Weise mit Reiko, ihrem Nachbarn sowie ihrem Lektor verbunden ist. Wenn Kurusawa Informationen über Schönheitsmaßnahmen einflechtet, nach denen Frauen vor 1000 Jahren Schlamm aßen, um die Jugend zu konservieren, dann wird klar, dass der japanische Regisseur einen kulturkritischen Rundumschlag zum Thema Liebe und Schönheitswahn im Sinn hat. Auf der Suche nach dem Horror der Liebe knüpft er ein Netzwerk aus pathologischem Verhalten, unbewältigter Vergangenheit und zögerlicher Gegenwart. In den positivsten Momenten zeigt „Loft“ die Liebe als Last, deren Bewältigung ein Gewinn sein könnte, wenn die Figuren nicht den gesamten gesellschaftlichen Ballast mit sich herum tragen würden. Reiko und ihr Nachbar finden nur eingeschränkt zueinander, da sie sich nicht bedingungslos aufeinander einlassen können. Das damit verbundene Bedrohungsszenario – für Kurusawa sind Geheimnisse und Vorbehalte Gefahren – erfasst er mit ruhigen Bildern, die suggerieren, dass unter dem „Normalen“ der Horror liegt. Für die physische Bedrohung ist Reikos Lektor zuständig, der nur noch zu degenerierter Liebe fähig ist. Etwa 90 Minuten lang geht Kurusawas intellektuelles Konzept perfekt auf, weil er seine inszenatorische Meisterschaft noch nicht verloren hat. Nebelschwaden unterstützen die unterschwellig bedrohliche Atmosphäre, um die dunkle Seite der Liebe auszuloten.

Die drei erzählerischen Elemente scheinen zu einem finalen Höhepunkt unter der übergeordneten Thematik zusammen gebunden zu werden, als Kurusawa die Ideen ausgehen. Einzeln löst er die Geschichten in aufeinander folgenden Endszenarien auf, so dass eben kein Zusammenhang mehr zwischen den verschiedenen Elementen besteht. Stattdessen betont er das Nebeneinander der verschiedenen Aspekte. Aus einem Netzwerk wird eine Ansammlung loser Fäden, die nur noch lieblos und unbeachtet herunter baumeln. Der pathologische Aspekt des Lektors steht in keinem Zusammenhang mehr zur Mumie oder den zaghaften Liebesversuchen zwischen Reiko und ihrem Nachbarn. Wie ein Stein versinkt Kurusawas Ansinnen auf nimmer Wiedersehen im See.

Bildqualität

Das gesamte Bild sieht stets ein wenig matschig aus, so dass die Konturen- sowie Detailschärfe leidet. Dieser Umstand dürfte weitgehend auf die Produktionsbedingungen zurück zu führen sein. Häufig ist ein leichtes Hintergrundrauschen präsent. Die Farbwiedergabe überzeugt demgegenüber mit kräftigen Grüntönen und einer gespenstisch blassen Palette bei Nebelaufnahmen. Der Kontrast sorgt nicht immer für eine optimale Abgrenzung der verschiedenen Bildbereiche voneinander. Sonstige Schwächen gibt es nicht.

Tonqualität

Der japanische 2.0-Ton besitzt klare und verständliche Dialoge ohne störendes Rauschen. Die Musik nutzt die Bandbreite der vorderen Lautsprecher auf effektive Weise für die anvisierte Schaueratmosphäre. Wer es unbedingt möchte kann sich auch einen deutschen 5.1-Upmix anhören.

Extras

Die 54minütige Dokumentation „Behind the Scenes“ ist wie so oft bei japanischen Produktionen sehr gelungen. In Interviewausschnitten berichtet vor allem Regisseur Kiyoshi Kurusawa über seinen kreativen Schaffensprozess, persönliche Empfindungen bei den Dreharbeiten, seine Arbeit mit den Schauspielern und seine Sicht auf einzelne Figuren, die Besetzung sowie den Inszenierungsstil. Daneben kommen unter anderem auch die Hauptdarsteller zu Wort, die ihre Rollen und den Regisseur einschätzen. Besonders gelungen ist die gegenseitige Konfrontation mit verschiedenen Aussagen, wobei der Fragesteller nicht erwähnt, von wem die entsprechende Aussage stammt. So entsteht an einigen Stellen der Dokumentation ein Zwiegespräch der Einschätzungen, das auf faszinierende Weise die Form des Making Ofs intelligent erweitert.

Vier TV-Clips und ein Trailer runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Loft“ scheitert an seiner sperrigen Struktur, die Kiyshi Kurusawa mit zunehmender Dauer über den Kopf wächst. So gelingt es ihm nicht, die einzelnen Aspekte zu einem komplexen Gesamtbild zusammen zu binden. Stattdessen endet der Film in einer dramaturgischen Beziehungslosigkeit der Handlungsstränge. Übrig bleiben Zwei Drittel atmosphärisches, sehr gut inszeniertes Schauerkino mit dem intelligentem Grundansatz, der Liebe Horroraspekte abzugewinnen. Technisch ist die DVD ordentlich.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Rofuto (Japan 2005)
Länge 114 Minuten (Pal)
Studio Rapid Eye Movies
Regie Kiyoshi Kurosawa
Darsteller Miki Nakatani, Etsushi Toyokawa, Hidetoshi Nishijima, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, DD 2.0 Japanisch
Untertitel Deutsch
Extras Behind the scenes, Trailer
Preis ca. 21 EUR
Bewertung schwaches Ende, technisch ordentlich