Fiorentino Fatale

Die letzte Verführung

Der Figurentypus der Femme Fatale ist nicht zuletzt ein Klassiker aus dem Kanon des Film Noir. Attraktive Frauen setzen ihren Sexappeal ein, um sich in einer ansonsten von Männern geprägten Welt Vorteile bis hin zur eigentlichen Herrschaft zu verschaffen. 1993 war Linda Fiorentino genau die richtige Wahl für einen Low-Budget-Film, um sie in der Rolle der Femme Fatale zu besetzen. Relativ unbekannt, trägt sie ihre forsche Attraktivität mit schnoddriger Brillianz vor sich her, und es ist deswegen verständlich, dass die Männer auf sie hereinfallen. Der erste ist Bill Pullmans Charakter. Als Medizinstudent hat der umtriebige Mann auch Zugang zu Substanzen, die für Drogendealer interessant sind. Nachdem er schwitzend den Handel abgewickelt hat, kommt er nach Hause, um das viele Geld der von Fiorentino gespielten Bridget, seiner Frau, zu zeigen. Bridget nutzt den Duschgang ihres Mannes, um sich mit dem Geld in die Provinz abzusetzen. Hier will sie warten, bis die Scheidung durch ist. Ihr Mann setzt natürlich Privatdetektive auf sie an. Während der Wartezeit sucht sich Bridget in dem verschlafenen Nest, das nun ihre Wohnstatt geworden ist, einen einfach gestrickten Mann, mit dem sie Sex haben und den sie für ihre Zwecke formen kann.
Fiorentinos Spiel gehört zu dem Besten, was "Die letzte Verführung" zu bieten hat. Mit ihrer fordernden Stimme, einer aggressiven Körpersprache und den notwendigen psychologischen Tricks - wenn es sein muss bricht sie in Tränen aus, um die schwache Frau zu spielen - erweckt sie eine Bridget zum Leben, die als sündiges Versprechen auf eine Menge Spaß durch das verschlafene Provinznest läuft. Natürlich ist immer klar, dass es bei ihr nichts umsonst gibt, denn sie hat stets das Heft des Handelns in ihrer Hand. Trotz Fiorentinos gelungener Darstellung einer Femme Fatale, die alles andere als bieder ist, wirkt "Die letzte Verführung" jedoch bieder. Bis zu John Dahls Audiokommentar habe ich immer gerätselt, woran das liegen könnte. Dort gibt er den entscheidenden Hinweis, wenn er sagt, er habe "Die letzte Verführung" nie als Film Noir, sondern als Komödie begriffen. Denn Fiorentino spielt keine Komödie, weder in subtiler Form, noch als übersteigerte Parodie auf den Rollentypus der Femme Fatale. Ihr macht es sichtlich Spaß, eine Frau zum Leben zu erwecken, die mit Hilfe ihrer sexuellen und psychologischen Tricks den Männern überlegen ist. Fiorentino will für die Dauer des Films so sein und das hat John Dahl nicht begriffen. So prallen zwei Systeme aufeinander, die sich nicht vertragen. In einer Szene bringt Fiorentinos Bridget einen Privatdetektiv dazu, ihr während der Fahrt seinen Penis zu zeigen. Während das für Dahl vermutlich als Witz gemeint ist, funktioniert es aufgrund Fiorentinos bis dahin bierernster Darstellung ihres Charakters in keiner Weise komisch. Stattdessen wirkt es nur irritierend, weil die Gagansätze mehr als offensichtlich sind, Fiorentino sich dem jedoch entzieht. Dadurch entsteht ein Zusammenspiel, das nicht mehr passt. Sowohl Fiorentinos sehr gute Darstellung der Femme Fatale als auch der Humor wirken deplaziert. Im Resultat erscheint "Die letzte Verführung" nicht mehr konsequent, sondern von beiden Richtungen auf halber Strecke stehen geblieben. Das macht ihn zu einem biederen Werk.

Bildqualität

Da es sich bei John Dahls "Die letzte Verführung" nur um eine kleine Produktion handelt und der Film schon ein bisschen herumgelegen hat, ist die Schärfe leider nicht so gut wie man es sich erhoffen würde. Sie siedelt sich grundsätzlich im soliden Bereich an, an wenigen Stellen gleitet sie jedoch in den schwachen Bereich ab. Da sich Bilddefekte und Verschmutzungen in Grenzen halten, kann man insgesamt jedoch noch einigermaßen zufrieden sein. Konturen wirken nicht ganz gleichmäßig. Der Kontrast verschluckt in dunklen Bildbereichen das eine oder andere Detail und es zeigen sich immer wieder Rauschmuster. Die Farbwiedergabe ist gelungen.

Tonqualität

Der deutsche 5.1-Ton ist in dieser Form völlig überflüssig, da es sich nur um einen Upmix handelt. Die Dialoge sind klar und verständlich, eine brauchbare räumliche Kulisse erzeugt der Track jedoch nicht. Demgegenüber liefert der englische 2.0-Ton einen schönen, organisch im Raum verankerten Klang, der die vorderen Boxen im Rahmen der Möglichkeiten nutzt. Störendes Rauschen gibt es nicht. Obwohl die Dialoge teilweise etwas dumpf klingen, sind sie gut verständlich.

Extras

Hier bietet die DVD zahlenmäßig eine Menge. John Dahl (Regie) kommentiert den kompletten Film, wobei Capelight auch deutsche Untertitel spendiert hat. Dahl erläutert seine persönliche Sicht auf den Stil des Films, gibt Informationen über seine Art bestimmte Szenen zu drehen, plaudert Anekdoten vom Dreh aus und lobt Linda Fiorentinos Darstellung. Insofern liefert Dahl Informationen, die er aber nur mit ständigen Pausen zum besten gibt. Darüber hinaus hört er sich an, als habe er kurz vorher ein Sedativ geschluckt.
Zahlreiche Deleted Scenes liefern ein paar sehr schöne zusätzliche Aspekte zu den Filmcharakteren. In einer besonders seltsamen Szene spielt Linda Fiorentino in einer Turnhalle für ihren Kleinstadtliebhaber das unschuldige Schulmädchen, um dessen frühere Phantasien zu befriedigen. Die Qualität der lohnenswerten Deleted Scenes ist leider recht schwach. Es handelt sich hierbei um Material in schlechter Videoqualität mit eingeblendetem Time-Code. Aber besser als nichts. Die Deleted Scenes laufen etwa 57 Minuten lang, weil immer das vollständige Kapitel abgespielt wird, in dem sich die Szenen befinden. Ohne das umgebende Material ergeben die Szenen ungefähr 20 Minuten. Man kann sich die Deleted Scenes auch mit einem Kommentar von John Dahl anhören, der stets erläutert, was die Szene erzählen sollte und warum man sie herausgenommen hat. Zusätzlich bietet die DVD die Möglichkeit, den Hauptfilm mit zugeschalteten Deleted Scenes anzusehen.
Das alternative Ende ist fast identisch mit dem eigentlichen Ende. Allerdings wird hier der Anwalt, der den gefoppten Kleinstadtliebhaber im Gefängnis besucht, durch Linda Fiorentinos Anwalt gespielt, der im Gespräch mit seinem angeblichen neuen Klienten das letzte Detail herausbekommt, dass Fiorentinos Manipulationsgebäude zum Einsturz bringen könnte. Dieses Ende ist aufgrund seiner perfiden Art eindeutig besser als das letztlich verwendete. Auch hier gilt die schlechte Bildqualität wie bei den Deleted Scenes. Natürlich kann man auch das alternative Ende mit einem Kommentar von John Dahl ansehen.
Besonders fein ist allerdings, dass Capelight John Dahls 30minütigen Kurzfilm "Tomorrow I Die" nach einer Geschichte von Mickey Spillane auf die DVD gepackt hat. Es gibt ein Wiedersehen mit Bill Pullman, der in "Die letzte Verführung" noch völlig unterfordert war und im coolen Wüstenambiente sein Können zeigen darf. Die Bildqualität ist zwar eher mäßig, aber das ist angesichts dieser Rarität von geringerem Interesse.
Der Trailer rundet das Bonusmaterial ab.

Fazit

Da John Dahls komödiantischer Wille und Linda Fiorentinos glasklares Film-Noir-Schauspiel aufeinanderprallen, bleibt die interessante Geschichte über eine verführerische New Yorkerin, die eine Kleinstadt aufmischt, im biederen Mittelfeld stecken. Technisch liefert die DVD eine gerade noch solide Vorstellung ab. Das Bonusmaterial hält einige sehr schöne Aspekte bereit, fällt aber ein wenig durchwachsen aus.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel The Last Seduction (USA 1993)
Länge 106 Minuten (Pal)
Studio Capelight
Regie John Dahl
Darsteller Linda Fiorentino, Peter Berg, Bill Pullman, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, DD 2.0 Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar von John Dahl (Regie), entfallene Szenen, u.m.
Preis ca. 15 EUR
Bewertung mittelmäßig, Bonusmaterial mit Stärken und Schwächen