Benutzte Leben

Hardcore

Das griechische Kino ist hierzulande kaum bekannt. Wenn Filme aus dem Mittelmeerland zu uns nach Deutschland kommen, dann handelt es sich in der Regel um die Werke altgedienter Filmemacher wie Theo Angelopoulos. "Hardcore" kommt aus Griechenland, pflegt aber einen völlig anderen Inszenierungsstil, indem ein deutlich schnelleres Tempo angeschlagen wird. Der Film basiert auf einem Buch, das zwei griechische Mädchen geschrieben haben. Darin geht es um deren Erlebnisse als Minderjährige, die sie im Rotlichtmilieu gesammelt haben. Sie arbeiten zusammen mit anderen jungen Menschen beiderlei Geschlechts für einen schmierigen Unternehmer, der sie an sexwillige Kunden vermittelt. Dabei sind die Kunden in unterschiedliche Farbkategorien eingeteilt, die deren Exklusivität und Zahlungsfähigkeit definieren. Die höchste Kategorie ist lila. Da es sich dabei um Orgien handelt, verdienen die Mädchen und noch stärker ihr Chef bei diesen Aufträgen am meisten Geld. Martha arbeitet dort schon eine Weile, als Nadja auftaucht, die anders ist, wie alle erkennen. Nadja besitzt Lebensträume, während Martha sich in passiver Haltung im schmierigen Milieu gefällt. Beide gehen eine seltsame Liaison ein, die zunehmend gewalttätigere Züge trägt.
Regisseur Dennis Iliadis besitzt einen unbändigen Stilwillen. Das gezeichnete Rotlichtmilieu ist schmierig bis schäbig, die Bilder hingegen sind stylish. Alles ist hübsch ausgeleuchtet. Auch im völlig apathischen mit Drogen voll gepumpten Zustand sieht Martha hinreißend attraktiv aus. Um Realismus geht es Iliadis auf der optischen Ebene nicht. Stattdessen versetzt er alles in einen völlig entrückten Zustand. Das Geschehen wirkt ein bisschen wie der Fiebertraum eines Drogenabhängigen. Unter Umständen könnte das in aufregender Weise funktionieren, wenn Iliadis sich auf das Milieu beschränken würde. Er fügt jedoch eine zusätzliche Ebene ein, in der die Protagonistinnen innerhalb verschiedener Traumsequenzen agieren. Unter anderem tanzen sie in bester Musicaltradition auf einer riesigen Neonleuchtschrift. Traum trifft auf fiebertraumartige Realitätswahrnehmung des Milieus, so dass die Entschlüsselung der Bilder ab einem gewissen Punkt nicht mehr möglich ist. Da die erste Ebene durch die stilistische Umsetzung bereits aus der Realitätsbahn entschwunden ist, lagert sich die zweite Ebene nicht wie ein seltsames Traummoment darüber, in dem die Figuren aus der Realität flüchten, sondern sie wirkt wie eine fremdkörperartige Parallelschicht. Als Zuschauer weiß man einfach nicht mehr, was Iliadis erzählt, weil die Funktion der stilistischen Mittel innerhalb der Dramaturgie nicht mehr zugeordnet werden kann. Eine Wendung gegen Ende des Films verstärkt diesen Eindruck umso mehr, da sie ausgesprochen absurd wirkt. Auf einmal verlassen die Mädchen das Milieu und befinden sich in einer anderen Welt, die jedoch nur noch mit Hilfe symbolartiger, stark verkürzender Bilder charakterisiert wird. Der Fiebertraum geht weiter und "Hardcore" lässt sich nur dann genießen, wenn man seiner Absurdität etwas abgewinnen kann.

Bildqualität

Hier und da tauchen zwar etwas mehr Bildpunkte und Verschmutzungen auf, als man es sonst bei aktuellen Filmen gewohnt ist, störend wirkt das aber nicht. Ansonsten ist die Bildqualität gut geraten. Das Geschehen ist scharf, wobei der starke Filtereinsatz die Konturen etwas verwischt, was jedoch nicht stört, sondern in Verbindung mit der intensiven Farbwidergabe sehr gut aussieht. Rauschen sucht man vergeblich, so dass der Film sein volles visuelles Potential ausspielen kann.

Tonqualität

Der 5.1-Ton ist im Rahmen der Möglichkeiten eines eher dialogbetonten Films gut ausgefallen. Alle Dialoge sind klar und verständlich, störendes Rauschen gibt es nicht. Die Tonkulisse beschränkt sich im wesentlichen auf die vorderen Boxen, lediglich die Musik nutzt teilweise auch die hinteren Lautsprecher.

Extras

Bei den Deleted Scenes (13 Minuten) handelt es sich meistens um Verlängerungen im Film enthaltener Szenen, einige sind auch ganz neu. Während manche Teile eher uninteressant sind, werden in anderen Szenen Informationen über die Charaktere vermittelt, die im fertigen Film nur noch ellipsenartig enthalten sind. Auf diese Weise bietet sich die Möglichkeit, Einblick in die künstlerischen Entscheidungen des Regisseurs zu erhalten.
Das Making Of (ca. 17 Minuten) bietet die übliche Mischung aus Setaufnahmen während des Drehs, Interviews und Filmausschnitten. Dabei äußern sich die Beteiligten nur selten in informativer Weise, so dass man es nicht unbedingt ansehen muss.
Das Interview mit Regisseur Dennis Iiliadis (ca. 8 Minuten) bietet demgegenüber mehr. Er äußert sich über die Buchvorlage zu seinem Film, erzählt etwas über die Dreharbeiten und seine Sicht auf das Werk. Nicht alle Ausführungen sind von Belang, aber das Interview liegt qualitativ deutlich über dem Durchschnitt solcher Beiträge.
Das Interview mit den Hauptdarstellerinnen (ca. 2 Minuten) reiht sich demgegenüber genau im Durchschnitt ein.
Ein Musikvideo, mit einer auch im Film enthaltenen Version von ABBAs "Dancing Queen", der Trailer, ein Teaser, ein TV-Spot und eine Bildergalerie runden die DVD ab.

Fazit

"Hardcore" bietet eine ungewöhnliche Bildersprache, mit der das Rotlichtmilieudrama erzählt wird. Dabei verwickelt sich Regisseur Dennis Iliadis in seinen stilistischen Ebenen, die nicht ineinander fließen, sondern sich wie Karatekämpfer gegenüber stehen, so dass der Film nur noch als Fiebertraum lesbar ist. Technisch ist die DVD gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Hardcore (Griechenland 2004)
Länge 96 Minuten (Pal)
Studio Legend Films
Regie Dennis Iliadis
Darsteller Katerina Tsavalou, Danai Skiadi, Omiros Poulakis, u.a.
Format 1:1,78 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Griechisch
Untertitel Deutsch
Extras Deleted Scenes, Making Of, Trailer, u.m.
Preis ca. 16 EUR
Bewertung Film unausgegoren, technisch gut