Der erste Kaiser

Der große Wall

Es mag zwar ein wenig seltsam anmuten, dass ausgerechnet ein japanisches Monumentalwerk die gewaltsame Vereinigung der chinesischen Königreiche zur ersten Kaiserdynastie filmisch verarbeitet hat, aber zum einen kam die tyrannische Figur des Kaisers den Japanern mit ihrem angespannten Verhältnis zu China vermutlich recht, zum anderen waren „Historienschinken“ Anfang der 60er Jahre auch in Japan beliebt. Die Handlung hält sich ohne propagandistische Übertreibungen weitgehend an die bekannten historischen Fakten. Zur Zeit des Bürgerkriegs 230 v. Chr. formiert König Cheng seine Armee, mit deren Hilfe er schließlich die anderen Herrscher besiegt. Er vereinigt China zu einem großen Kaiserreich, an dessen Spitze er selbst unter dem neuen Namen Shi Huang Ti steht. Mit eiserner Hand sorgt er für eine Absetzung der bisherigen Feudalherrschaft, indem er einen Verwaltungsapparat installiert. Damit sind seine Pläne aber noch nicht beendet. Nach einem Überfall auf seinen Palast, der seiner Frau das Leben kostet, befiehlt Shi Huang Ti den Bau einer großen Mauer von Ost nach West, die China vor zukünftigen Angriffen schützen soll. Straßen und Kanäle werden auf des Kaisers Veranlassung ebenso durch Zwangsarbeiter gebaut. Aus dem Volk heraus, das unter der Last zusammenzubrechen droht, entwickeln sich immer wieder Verschwörungen, die den Tod des Kaisers zum Ziel haben. Aber die Attentäter bleiben zunächst erfolglos.

„Der große Wall“ besitzt die klassischen Zutaten, die einem Monumentalepos seine Schauwerte geben. Schlachtszenen, große Palastanlagen und Landschaftseinstellungen sorgen für die entsprechend „große“ Atmosphäre, auch wenn gerade einzelne Schlachtszenen ein wenig unübersichtlich und etwas ungeschickt gefilmt wurden. Sie tun dem Vergnügen keinen Abbruch, der Entwicklung des Kaisers vom bodenständigen Feldherrn zum größenwahnsinnigen Tyrann zuzuschauen. Mit familiärer Geste kümmert sich der zukünftige Herrscher über ein geeintes China zu Beginn um einen verwundeten Soldaten. Diese Fürsorge gegenüber seinen Untergebenen wird Shi Huang Ti aus seiner Sicht bis zum Ende nicht ablegen, sie äußert sich aber aufgrund des steigenden Größenwahns in Form zunehmender Brutalität gegenüber dem einfachen Volk. Ohne psychologische Mätzchen verfolgt „Der große Wall“ steigende Macht und private Schicksalsschläge auf Seiten des Kaisers, die zusammen eine „ungesunde“ Mischung ergeben. Durch den Tod seiner Frau wird Shi Huang Ti erst auf die Idee gebracht, eine große Mauer zu errichten. Die unbegrenzte Macht wird durch das emotionale, menschliche Element gefährlich. So banal die Erkenntnis auch zu sein scheint, dass Herrschaft niemals objektiv, sondern stets aus einer starken durch persönliche Interessen geleiteten Quelle gespeist wird, sie besitzt immer noch eine große Relevanz. Shi Huang Ti fehlt das Vermögen, dies in einem Prozess der Selbstanalyse zu erkennen. Stattdessen leidet er an immer größerem Realitätsverlust, der sich in der Suche nach einem Lebenselexier widerspiegelt, das ihn unsterblich machen soll. Geschickt verknüpft der Film die Persönlichkeitsentwicklung des Kaisers mit einzelnen Nebengeschichten, in denen die Auswirkungen der gewalttätigen Herrschaft zu Tage treten. Das Schicksal eines Arbeiters an der großen Mauer oder verschiedene Attentatsversuche komplettieren das stimmige Mosaik der ersten Kaiserdynastie. Mit ruhigen, teilweise statischen Kameraeinstellungen fängt Regisseur Shigeo Tanaka die zunehmende Dynamik der drakonischen Machtausübung und den damit verbundenen Moralverfall ein. Nichts lenkt von dem Drama ab, dass sich auf offener Bühne abspielt. „Der große Wall“ liefert ein schönes Epos über die ewigen Themen Macht, Liebe und Größenwahn.

Bildqualität

Das Bild weist trotz des Filmalters kaum Defekte oder Dreckspuren auf, die Schärfe kann das Alter aber nicht ganz verbergen. Sie schwankt Der grosse Wallzwischen relativ scharf abgebildeten Nahaufnahmen und ausgewaschenen Konturen bei Totalen. Die Farben sind ein wenig ausgeblichen, machen aber noch eine gute Figur. Der Kontrast sorgt für ein ausgewogenes Bild. Der Schwarzwert fällt allerdings schwach aus, so dass das Bild in dunklen Szenen milchig wirkt. Blockkbildung auf homogenen Flächen zeigt sich genauso wie das Bild stets ein wenig körnig ausfällt. Angesichts des Filmalters kann man mit der Qualität aber leben.

Tonqualität

Der Ton wird bei beiden Spuren durch ein starkes Rauschen begleitet, das zwar nicht die Verständlichkeit der Dialoge beeinträchtigt, aber klar auf das Filmalter hinweist. Störende Verzerrungen treten aber nicht auf. Die Szenen, für die keine deutsche Synchronisation vorlag, wurden auf japanisch mit deutschen Untertiteln belassen.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus einer Bildergalerie, einem recht informativen Text über den Film „Der große Wall“, der Titelmusik, die per Menü abspielbar ist, und dem Trailer. Der PC-Part enthält zusätzlich Aushangfotos und Plakate in Druckqualität.

Fazit

Das monumentale Epos „Der große Wall“ zeichnet die Entwicklung des ersten chinesischen Kaisers vom bodenständigen Feldherrn zum größenwahnsinnigen Herrscher nach. Dabei vermittelt der Film eine beängstigende Nähe zwischen Machtausübung und persönlichen Schicksalsschlägen. Technisch ordentlich.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Shin shikôtei (Japan 1962)
Länge 153 Minuten (Pal)
Studio New Entertainment World
Regie Shigeo Tanaka
Darsteller Shintarô Katsu, Fujiko Yamamoto, Ken Utsui, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch, Japanisch
Untertitel Deutsch
Extras Titelmusik, Bildergalerie, Trailer, u.m.
Preis ca. 15 EUR
Bewertung gut, technisch ordentlich