Was stirbt zuletzt?

Das Ende der Geduld

Bevor Regisseur Florent Emilio Siri mit „Das tödliche Wespennest“ („Nid de guêpes“, 2002) auf dem Fantasy Filmfest 2003 einen Erfolg feiern konnte und mit dem Bruce-Willis-Thriller „Hostage“ auch bei einem breiteren Publikum bekannt wurde, drehte der Franzose ein persönlich inspiriertes Bergarbeiterdrama über Streikmaßnahmen Mitte der 90er Jahre im Lothringischen Kohlerevier. Die Stimmung unter den Bergarbeitern heizt sich immer weiter auf, als Gerüchte auftauchen, die Zechenleitung wolle das Weihnachtsgeld streichen. Die Gewerkschaft beruft eine Versammlung ein, um die Bergarbeiter auf einen möglichen Streik einzustimmen. Während die angespannte Situation eine immer größere Dynamik bekommt, führen die beiden Freunde Mimmo und Marek ein Leben zwischen der Arbeit unter Tage und der üblichen Freizeitgestaltung in einer Kleinstadt, die neben Kneipen und dem Bordell kaum etwas zu bieten hat. Für beide stellt sich die Frage, ob die Zeche überhaupt noch eine Zukunft hat. In dieser Situation trifft Mimmo auf Jäger, der gerade in der Bergarbeiterstadt weilt, da er für das örtliche Bordell neue Prostituierte geliefert hat. Er bietet Mimmo eine neue Zukunft an, die außerhalb des Milieus und der Stadt liegen würde.

Florent Emilio Siris Vater hat in einer Lothringer Grube als Bergmann gearbeitet, so dass die Wahl des Themas für seinen ersten Spielfilm naheliegend war. Im Gegensatz zu ähnlich gelagerten Reflexionen über soziale Milieus schlägt Florent Emilio Siri ein inszenatorisches Tempo an, das stark an den Bewegungsdrang eines krachenden Actionfilms erinnert. Mimmo und Marek sind ständig unterwegs zwischen dem eigenen Zuhause, der Zeche sowie der Kneipe. Der Film gönnt ihnen nur kurze Augenblicke des Verweilens an einem Ort bevor sie weiter ziehen. Es ist die Bewegung der inneren Unruhe, die alle Bergarbeiter angesichts einer Das Ende der Geduld Situation erfasst hat, in der die Zukunft völlig ungewiss ist. Das Weihnachtsgeld ist nur der Katalysator, um die Action der Emotionen in Gang zu bringen. Die kinetische Energie reflektiert den kämpferischen Aktionismus sowie die dynamische Angst vor der Zukunft, die sich in den letzten Augenblicken eines sterbende Wirtschaftszweiges noch einmal mit aller Kraft für ein kurzes Aufbäumen zusammen schließen. Dabei gelingt es Siri, das System der Bergarbeiterstadt mit den einzelnen Akteuren – Gewerkschafter, Kneipiers, Bordellbesitzer, Prostituierte, Bergarbeiter und ehemalige Bergarbeiter – in seinen miteinander verflochtenen Facetten zu portraitieren. Kurze Dialoge beschreiben treffsicher die jeweilige Befindlichkeit, so dass der Film trotz seiner kurzen Lauflänge eine vielschichtige Szenerie entwirft, welche durch die ausgefeilte Kameraarbeit zusätzliche Kraft erhält. Wenn gegen Ende der Konvoi der Bereitschaftspolizei im Dunkel der Nacht über eine Brücke fährt und die Kamera die Scheinwerferkegel einfängt, welche an ihr vorbei gleiten, dann erinnert die Atmosphäre an einen kriegerischen Showdown. Eindrucksvoll erzählen die Bilder, dass die Figuren, denen der Film bislang gefolgt ist, mit dem Rücken zur Wand stehen. Das Ende der Geduld wird auch das Ende des sozialen Systems sein, das bislang zu sehen war. Bilder und Drama beschwören eine Endzeitstimmung herauf, die intensiver kaum sein könnte.

Bildqualität

Das Ende der GeduldDas nichtanamorphe Bild sieht blitzsauber aus und kommt mit einer guten Schärfe daher, die lediglich ein wenig mehr Details präsentieren könnte. Das durchgehende Hintergrundrauschen fällt ebenfalls auf. Die Farben sind kräftig und ausdrucksstark, was zur ausgefeilten Lichtsetzung der Inszenierung perfekt passt. Blockbildung und stehende Rauschmuster gehören leider zum guten Ton, so dass die DVD hier an Qualität einbüßt.

Tonqualität

Der deutsche 2.0-Ton liefert eine dem Genre angemessene Kulisse aus den vorderen Lautsprechern. Die Dialoge sind klar und verständlich, störendes Rauschen gibt es nicht. Unverständlich ist nur, warum der französische Originalton fehlt.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus Texttafelbiographien und einer Bildergalerie.

Fazit

„Das Ende der Geduld“ präsentiert seine Milieubetrachtung vor dem Hintergrund des Zechensterbens in Lothringen als temporeichen Showdown der Emotionen. Auf diese Weise pumpt Florent Emilio Siri Energie in die Geschichte, welche nichts mit der tragischen Lethargie angesichts einer ungewissen Zukunft zu tun hat, sondern deren panische Schwester, das letzte Aufbäumen, präsentiert. Technisch ist die DVD in Ordnung, wenn man beim Ton auf die Originalfassung verzichten kann.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Une minute de silence (Frankreich 1998)
Länge 79 Minuten (Pal)
Studio epiX
Regie Florent Emilio Siri
Darsteller Benoît Magimel, Bruno Putzulu, Rüdiger Vogler, Jean-Yves Chatelais, u.a.
Format 1:1,85 (4:3)
Ton DD 2.0 Deutsch
Untertitel -
Extras Texttafelbiographien, Bildergalerie
Preis ca. 22 EUR
Bewertung sehr gut, technisch in Ordnung