Hypnotisches Eiland

De Sades Eugenie – Die Jungfrau und die Peitsche

Die Filme des Jess Franco changieren zwischen belanglosem bis ärgerlichem Unfug und bemerkenswerten, avantgardistischen Filmen. „De Sades Eugenie“, auch bekannt als „De Sade 70“ gehört in jedem Fall in letztere Kategorie. Die wohlhabende Madame de Saint-Ange und wie wir später erfahren noch viel stärker ihr Stiefbruder Mirvel haben es auf die junge, unschuldige Eugenie abgesehen. Eugenies Mutter achtet mit strengem Regiment darauf, dass ihre Tochter keinerlei verderblichen Einflüssen ausgesetzt wird. Da Eugenies Vater jedoch an Madame de Saint-Ange sexuell interessiert ist, nutzt die attraktive Frau ihre Machtstellung aus. Unter dem Vorwand, dass Eugenie eine Freundin besucht, bringt ihr Vater die junge Frau zum Hafen, wo ein Boot wartet, um Eugenie auf eine kleine, einsame Insel zu bringen. Dort besitzt Madame de Saint-Ange ein verschwiegenes Haus. Der harmlos erscheinende Trip dient jedoch nicht zu reinen Erholungszwecken. Eugenie soll mit Hilfe der Anhänger eines De-Sade-Ordens sexuell erzogen werden. Recht schnell wechselt der Schauplatz innerhalb des Films von der Großstadt auf die karge sowie einsam im Meer liegende Insel. Für Eugenie beginnt damit eine Reise, auf die der ansonsten abgeschmackte Satz, dass an deren Ende nichts mehr so wie vorher ist, perfekt zutrifft. Zunächst wirken Madame de Saint-Ange und ihr Steifbruder wie freundliche Gastgeber, die ein schönes Sommerwochenende bereiten wollen. Erste Irritationen bereiten die lüsternen Blicke Mirvels, auch die scheinbar unschuldigen Annäherungen der Gastgeberin bleiben nur für den naiven Geist ohne sexuelle Note. Eugenie ahnt indessen nicht, was ihr noch dräut, bis die Nacht hereinbricht, in der sie von einer kleinen sexuellen Orgie träumt oder eben auch nicht träumt. Jess Franco arbeitet bei den Sex-Spielen mit tiefrot eingefärbten Bildern, welche durch die rhythmische Musik Bruno Nicolais eine entrückte Atmosphäre verliehen bekommen. Die taub-stumme Dienerin des Anwesens beobachtet hinter einem Korbsessel hockend die Szenerie. Dabei scheint sie gar nicht anwesend zu sein. Fast reglos sitzt sie da, während weder sie auf das Gesehene reagiert, noch andere auf sie reagieren. Solch statuenartige, nur durch sehr langsame Bewegungen gekennzeichnete Beobachter gehören ebenso zum Stilmittel des Films, wie auch häufig auftauchende Unschärfen. Dadurch erzeugt Franco eine hypnotische Atmosphäre, die eine Sogwirkung entfaltet. Fast kommt man sich selbst wie einer der stummen Beobachter vor, so dass man in die Bilder hineingezogen wird. Der Wechsel zwischen den surrealen, tiefrot eingefärbten Szenen und den lichten, sonnendurchfluteten Tagaufnahmen verstärkt die Irritation in der Wahrnehmung, die einen nachhaltigen Charakter bekommt. Francos „De Sades Eugenie“ funktioniert als Fenster in eine Welt jenseits der Ratio, die auf einer Gefühlsebene faszinierend wirkt.

Bildqualität

sadeTrotz des Alters prägen nur wenige Defekte und Verschmutzungen das Bild der DVD. Dafür wechseln sich Bilder mit recht starkem Rauschen – Tagtotalen der Insel oder des Meeres – und kaum wahrnehmbaren Rauschen ab. Insgesamt überwiegen aber die Bilder, welche weniger grieselig aussehen. Die Schärfe ist gelungen, da die unscharfen Aufnahmen so deutlich unscharf sind, dass sie nur als absichtliches Stilmittel beim Dreh verwendet worden sein können. Anders wären die Schwankungen nicht erklärbar. Die Farben besitzen die Intensität, die sie für die atmosphärische Konstruktion benötigen. Hier gibt sich die DVD keinerlei Blöße.

Tonqualität

Der Ton kann sein Alter zwar nicht ganz verbergen, aber das wichtigste, die hypnotische Musik Bruno Nicolais, ertönt ansprechend, so dass der Film seine Wirkung voll entfalten kann. Wie bei Mono-Spuren üblich ist der Originalton dumpfer und weniger verrauscht als die deutsche Synchronisation. Mit beidem kann man aber leben. Die Anfangssequenz wurde nachsynchronisiert, vermutlich fehlt sie in der ursprünglichen deutschen Fassung des Films. Auch im Finale gibt es einen kurzen nachsynchronisierten Abschnitt.

Extras

Der anwählbare Trivia-Track ist eine Art kostengünstige Audiokommentarvariante. Während der Laufzeit des Films werden spezielle, kommentierende Untertitel eingeblendet. Die Informationen wechseln dabei zwischen launigen Fakten – beispielsweise musste angeblich der Drehort wegen des gewagten Filminhaltes geheim gehalten werden – und szenenspezifisch kommentierenden Untertiteln ab. An passender Stelle werden auch Aussagen der Darsteller zu „De Sades Eugenie – Die Jungfrau und die Peitsche“ in indirekter Rede zitiert. Die Abfolge der Untertitel ist zwar relativ ausgedünnt, dennoch besitzt der Track einige interessante Informationen und lohnt sich. Das etwa 10minütige Interview mit Mirvel-Darsteller Jack Taylor, das angesichts aktueller Dreharbeiten Taylors in Berlin entstanden ist, streift die Themenfelder der damaligen Filmproduktion in Spanien, Christopher Lee, „De Sades Eugenie – Die Jungfrau und die Peitsche“ und Jess Franco. Taylor erweist sich als angenehmer Erzähler, der einen ersten Einblick in die angesprochenen Bereiche gibt. Zwei Filmtrailer und eine Texttafelbiographie runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

„De Sades Eugenie – Die Jungfrau und die Peitsche“ erzählt in hypnotischen Bildern unterstützt durch die perfekte Musik Bruno Nicolais die Wandlung der unschuldigen Eugenie, welche an einem einzigen Wochenende auf einer abgelegenen Mittelmeerinsel vollzogen wird. Technisch ist die DVD gelungen. Das Bonusmaterial ist recht beachtlich.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Eugenie (Spanien/BRD 1970)
Länge 83 Minuten (Pal)
Studio epiX
Regie Jess Franco
Darsteller Marie Liljedahl, Maria Rohm, Jack Taylor, Christopher Lee, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton Mono Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Trivia Track, Interview mit Jack Taylor, u.m.
Preis ca. 16 EUR
Bewertung sehr gut, technisch ansprechend