Schwarzweißes Delirium

Branded to Kill

Das Genre des Yakuza-Films ist für den japanischen Regisseur Seijun Suzuki ein vertrautes Feld gewesen, bevor er mit Filmen wie „Tokyo Drifter“ oder auch dem jetzt auf DVD erschienenen „Branded to Kill“ das Genre für seine stilisierten Bilderwelten nutzte, in denen die Handlungsdramaturgie nicht mehr die wichtigste Rolle spielt. In groben Zügen folgt „Branded to Kill“ dem Yakuza-Killer Nummer 3, der eines Tages bei einem Auftrag daneben schießt. Danach gerät er ins Fadenkreuz seiner Auftraggeber, die ihm nach dem Leben trachten. Mit dem Überlebensinstinkt des Profikillers ausgestattet versucht Nummer 3 die Organisation, der er vor seinem Scheitern angehörte, ins Wanken zu bringen, indem er die sagenumwobene Nummer 1 der Yakuza-Killer ins Jenseits befördert.

Seijun Suzuki kümmert sich bei seinem Film in erster Linie um die expressiven Schwarzweißbilder, mit denen er die existenziellen Gefühlszustände seiner Hauptfigur abbildet. Die Nummer 3 der Yakuza-Killer ist nicht nur ein einsamer Wolf, wie die meisten Profikiller-Figuren der Filmgeschichte, er befindet sich in einem hermetisch abgeschlossenen Universum, das keinen Austausch mehr mit der ihn umgebenden Welt jenseits der Gangsterkreise zulässt. Alle Menschen, denen er begegnet, gehören dazu. Sei es die Killerin, welche ihn eigentlich umbringen soll oder die mysteriöse Nummer 1, mit der er sich schließlich ein psychologisches Duell liefert. In den hart kontrastierten Schwarzweißbildern hat die „normale“ Welt keinen Platz mehr, da sie im Dunkel verschwindet. Suzuki verdichtet die Existenz seiner Hauptfigur somit auf ein selbstzweckhaftes Dasein, das zunehmend klaustrophobische Züge annimmt. Der immer hysterischere Seelenzustand des Killers korrespondiert mit dem taumelnden, virtuosen Schnitt, welcher den Film immer zielstrebiger in den Wahnsinn eines unkontrollierten Deliriums treibt. Als Zuschauer hat man die Wahl, sich dieser brausenden Kraft auszusetzen oder in Distanz den Film an sich vorüber ziehen zu lassen. Wer ersteres tut, bekommt die Chance einer existenziellen Grenzerfahrung, mit deren Hilfe der eigene Seelenzustand auslotbar wird. Wer letzteres tut, bekommt die Chance, einem Genre dabei zuzusehen, wie es mit psychotischer Energie auf seine absurde Essenz, das Töten, eingedampft wird, um nach der Kollision mit sich selbst auseinander zu brechen. „Branded to Kill“ ist beides, absurde Analyse und Dekonstruktion seines Genres, sowie Bebilderung einer menschlichen Seele, die auf der Grenze zwischen Licht und Schatten wandert, bis sie sich schließlich für eine Richtung entscheiden muss. Das macht aus Seijun Suzukis Film ein Meisterwerk.

Bildqualität

Vor allem wenn man das Filmalter bedenkt macht das Bild eine sehr gute Figur. Bilddefekte oder oder Verschmutzungen treten zwar hier und da auf, können sich aber nicht in den Vordergrund spielen. Die Schärfe schwankt zwischen angenehm in Totalen und sehr gut bei Nahaufnahmen. Der Kontrast ist wie bei einem Schwarzweißfilm nicht anders zu erwarten ausgezeichnet. Das leichte Rauschen beeinträchtigt den Filmgenuss nicht.

Tonqualität

Der Mono-Ton liefert eine solide Vorstellung im Rahmen der Möglichkeiten. Ein bisschen Rauschen muss man schon hinnehmen. Die Sprache ertönt im klassischen monodumpf und die Musik ist leicht verzerrt. Alles in allem nicht so gut wie er sein könnte, aber völlig in Ordnung.

Extras

Als Bonus hat Rapid Eye Interviews mit Regisseur Seijun Suzuki (etwa 23 Minuten), Darsteller Joe Shishido (etwa 26 Minuten) und Ausstatter Takeo Kimura (etwa 29 Minuten) auf die DVD gepackt, die alle im Jahr 2006 geführt wurden. In den sehr interessanten Gesprächen geht es um die Arbeit innerhalb der japanischen Filmindustrie während der 50er und 60er Jahre, die Zusammenarbeit der drei Befragten untereinander, den Ärger, welchen „Branded to Kill“ innerhalb des produzierenden Studios Nikkatsu auslöste und künstlerische Aspekte. Sehr lohnenswert. Eine Bildergalerie und der Trailer runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Branded to Kill“ besticht durch seine expressive Bildsprache sowie den avantgardistischen Schnitt, die mehr an einer sinnlichen Erfahrbarkeit der gezeigten Seelenwelt eines Profikillers interessiert sind, als an einer gradlinigen Erzählung. Technisch ist die DVD gut, das Bonusmaterial ebenfalls.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Koroshi no Rakuin (Japan 1967)
Länge 87 Minuten (Pal)
Studio Rapid Eye
Regie Seijun Suzuki
Darsteller Joe Shishido, Mariko Ogawa, Annu Mari, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Japanisch
Untertitel Deutsch
Extras Interview mit Seijun Suzuki, Trailer, u.m.
Preis ca. 20 EUR
Bewertung sehr gut, technisch gut