Totengräber eines Genres

Blindman - Der Vollstrecker

Selbst mir als Fan des Italo-Western bleibt angesichts von "Blindman" nichts anderes übrig, als das Lexikon des internationalen Films zu zitieren, das bei Beurteilungen dieses Genres häufig falsch, hier aber goldrichtig liegt:

"Eine mexikanische Bande hat dem blinden Revolverhelden, der alles erledigt, was sich ihm in die Quere stellt, 50 Frauen abgejagt, die er in eine Bergarbeitersiedlung bringen sollte…. Italo-Western, dessen Scheußlichkeiten viele seiner Vorgänger noch übertreffen: neben den gewohnten Schlachtfesten, Massenvergewaltigungen und genüssliche Metzeleien, vorwiegend mit Dynamit ausgetragen."

Es ist einfach erschreckend, wie erstaunlich inkompetent Ferdinando Baldi, der mit "Django und die Bande der Gehenkten" beispielsweise einen vorzüglichen Italo-Western drehte, hier zu Werke gegangen ist. Deswegen ist die Gewalt auch ungenießbar, weil es keinerlei dramaturgischen Überbau gibt, in dem sie aufgehoben wäre. Etwa 55 Minuten lang tritt "Blindman" vollständig auf der Stelle und treibt seine Geschichte in keiner Weise voran oder bietet mit seinen Bildern einen irgendwie gearteten Inhalt. Die Hauptfigur, der titelgebende Blindman, ist mal hier und mal dort, tötet oder auch nicht, reißt Sprüche oder auch nicht und sonst nichts. Es bleiben an jeder Ecke Fragen offen:
Sind die 50 Frauen freiwillig unterwegs zu den Bergarbeitern und wurden von den bösen Mexikanern geraubt, während Blindman als moralische Instanz fungiert? Warum soll mich als Zuschauer das Problem Blindmans mit seinen 50 Frauen auch nur ansatzweise interessieren, wenn die Hintergründe völlig im Dunkeln bleiben? Was wollen die Mexikaner von den Soldaten, winkt Ihnen irgendein Profit? Warum wandelt der Blindman 55 Minuten lang völlig ziellos durch den Film, um dann endlich in Aktion zu treten? Soll das vielleicht eine allegorische Übersetzung seiner Blindheit sein? Als Fazit bleibt nur übrig, dass "Blindman" durch seine unfassbarschlampige Art sicherlich mit zu den Totengräbern des Italo-Western gehört. Shame on you, Baldi!

Bildqualität

Im Gegensatz zur Qualität des Filmes stimmt wenigstens die technische Qualität der DVD. Die Farben kommen ohne nennenswerte Verschmutzungen oder Bildpunkt sehr gut zur Geltung. Das Bild präsentiert sich mit einer gelungenen Schärfe. Auch der Kontrast sorgt für eine gute Detailschärfe und verhindert Überstrahlen in hellen oder Schwächen in dunklen Szenen. Leichte Rauschmuster treten ab und an mal auf, fallen aber nicht weiter negativ ins Gewicht.

Tonqualität

Auf der DVD ist der Ton in deutscher, englischer und italienischer Sprache enthalten. Große Unterschiede treten zwischen den einzelnen Tonspuren nicht auf. Das auftretende Rauschen ist noch tolerabel und die Musik neigt zu einem Übersteuern in den Höhen.

Extras

Als Bonus hat Koch Media wieder einmal vorbildlich exklusiv eine etwa 42minütige Dokumentation über Ferdinando Baldi produziert. Der Film besteht hauptsächlich aus einem langen Interview mit Baldi zum dem an passenden Stellen Filmszenen eingeschnitten sind. Baldi erzählt recht lange über Blindman, bevor er dann auch ein paar allgemeine Worte zu seiner Karriere und das Drehen der Italowestern in Almeria findet. Die Struktur der Dokumentation bekommt gegen Ende ein paar merkwürdige Züge. So sind plötzlich Ausschnitte aus "Leichen pflastern seinen Weg" zu sehen, obwohl der Film gar nicht erwähnt wird und mit Baldi auch nichts zu tun hat. Schiebt man diese Bedenken beiseite bleibt eine hübsche Einführung in "Blindman" und Baldis übriges Werk übrig.

Der Trailer und eine Bildergalerie runden die DVD ab.

Fazit

"Blindman" ist ein erschreckend dilettantisch gefilmter Italo-Western, bei dem Regisseur Ferdinando Baldi jegliche Qualitäten vermissen lässt, die er in seinen früheren Werken - z.b. "Django und die Bande der Gehenkten" - bewiesen hat. Die zähe Narration tritt etwa 50 Minuten vollständig auf der Stelle. Das ist für einen Erzählfilm ein Armutszeugnis. Technisch ist die DVD gut und das Bonus-Material überzeugt durch die exklusiv produzierte Dokumentation.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Blindman (Italien 1971)
Länge 105 Minuten (Pal)
Studio Koch Media
Regie Ferdinando Baldi
Darsteller Tony Anthony, Ringo Starr, Lloyd Battista, Anita Eckemyr, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch, Englisch, Italienisch
Untertitel Deutsch
Extras The Western World of Ferdinando Baldi, u.m.
Preis ca. 17 EUR
Bewertung Film schlecht, technisch gut