Das Floß der Schildkröten

Bird People in China

Takashi Miike gehört zu den vielseitigsten Regisseuren des aktuellen Kinos, in dessen bisherigem Werk sich Auftragsproduktionen und ambitionierte Filme abwechseln. Wenn man sich Miikes zuletzt gedrehte Filme - beispielsweise „Izo“ oder „A big bang love: Juvenile“ (laut Miikes Aussage ein sehr persönlicher Film) - ansieht, dann liegt die Vermutung nahe, dass auch „Bird People in China“ ein persönlicher Film gewesen sein muss, dessen Geschichte ihm am Herzen gelegen hat. Die ruhige, teilweise emotional vorgetragene Beziehung zwischen den beiden männlichen Hauptfiguren Wada und Ujiie wirkt wie eine zarte Vorstudie auf „A big bang love: Juvenile“, wobei sich das dramaturgische Umfeld natürlich unterscheidet. Wada reist für seine japanische Firma ins chinesische Hinterland, um nach Jadevorkommen zu suchen. Ujiie ist ein Yakuza, dessen Oragnisation mit Wadas Firma ein Hünchen zu rupfen hat. Gemeinsam reisen sie immer tiefer ins Landesinnere, das zunehmend entrücktere, mythologische Züge erhält, bis sie auf ein „vergessenes“ Dorf und seine Bewohner stoßen, die an eine Legende von fliegenden Menschen glauben. Für die Reisenden besitzen die Steine auf einmal kaum noch einen Wert. Miikes „Bird People in China“ wird jeden enttäuschen, der sich einen Miike-Film aufgrund seiner sehr guten Werke „Dead or Alive“ oder „Audition“ ansieht, denn der Film ist die persönliche Shangri-La-Geschichte des japanischen Regisseurs. Mit großer Ruhe schickt er seine Protagonisten auf eine Reise ins chinesische Hinterland, bei der das zivilisatorische Umfeld immer weiter in den Hintergrund rückt, bis eine mythologisch-philosophische Besinnung auf Träume, Legenden und die innere Kraft des Menschen das atmosphärische Regiment übernehmen. Die Verkehrsmittel, mit denen sich die Reisegruppe vorwärts bewegt, spiegeln den Aufbruch an einen Ort wieder, an dem der Lärm der Welt keine Geltung besitzt. Flugzeug, Bahn, Auto und schließlich ein Floß, das Schildkröten den Fluss entlang ziehen, sorgen für eine kontinuierliche Entschlackung vom Komfort und der Belastung der Zivilisation. Und wenn die Reisenden schließlich nicht mehr wissen, wie sie überhaupt zurückkommen sollen, dann haben sie sich nur scheinbar verirrt, weil der Zwang, vorwärts zu schreiten, das Ziel näher bringt. Die Inszenierung setzt dabei auf eine Atmosphäre der Stille, die durch märchenhafte Elemente ergänzt wird. Die Schildkröten vermitteln einen gleichsam wunderlichen wie majestätischen Eindruck, wenn sie wie selbstverständlich das Floß ziehen. Hier gibt es Dinge zu entdecken, die im bisherigen Leben der Reiseteilnehmer keinen Platz hatten. Das Dasein am Ende der Welt zieht sie in ihren Bann und nur die gelegentlichen Ausbrüche eines Reisegruppenmitglieds unterbrechen für kurze Momente die erhaben wirkende Ruhe. Aber auch das „vergessene“ Dorf unterliegt dem Einfluss der Zivilisation, nur haben die Bewohner ihre Besinnung noch nicht verloren. Diese wieder zu finden, ist einer der Träume, die Miikes Film propagiert.

Bildqualität

Die Bildqualität der DVD kann mit der Qualität des Films leider nicht mithalten. Natürlich muss man bei einem relativ kleinen asiatischen Film, der acht Jahre alt ist, Abstriche machen, aber selbst dafür ist das Bild zu matschig geraten. Weder die Konturen noch die Details sind ordentlich scharf, sondern stets etwas verschwommen. Bei Schwenks neigt die Bewegung zu einem leichten Ruckeln, das zwar nicht übermäßig stört, aber doch wahrnehmbar ist. Die Farbwiedergabe ist in Ordnung, der Kontrast aber bietet keine detaillierten Helligkeitsabstufungen, so dass in dunklen Bildteilen Inhalte verschluckt werden. Rauschen gibt es demgegenüber kaum.

Tonqualität

Der 2.0-Ton liefert eine ordentliche Vorstellung. Die Dialoge sind klar und verständlich, auch die Musik ertönt recht ansprechend. Die Originaltonspur fällt etwas dumpfer aus, als die deutsche Synchronisation.

Extras

Bonusmaterial existiert nicht.

Fazit

„Bird People in China“ gehört zu Takashi Miikes Meisterwerken, in dem der japanische Regisseur mit sanftem Tempo eine emotionale Reise zur eigenen Besinnung erzählt, die im Rausch zivilisatorischen Lärms untergegangen ist. Dabei geht es Miike nicht um den simplen Gegensatz Zivilisation – abgeschiedenes Landleben, denn auch das „vergessene“ Dorf ist längst durch diverse Kulturphänomene beeinflusst. Technisch ist die DVD schwach.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Chûgoku no chôjin (Japan 1998)
Länge 118 Minuten (Pal)
Studio Asian Film Network im Vertrieb der Splendid
Regie Takashi Miike
Darsteller Masahiro Motoki, Renji Ishibashi, Mako, u.a.
Format 1:1,78 (4:3)
Ton DD 2.0 Deutsch, Japanisch
Untertitel Deutsch
Extras -
Preis ca. 15 EUR
Bewertung sehr gut, technisch schwach