Blut und Tränen

100 Tears (Geschnittene Fassung)

100 Tears Die deutsche DVD des Films ist um knapp zwei Minuten geschnitten.
Angesichts der Leistung des Regieneulings Marcus Koch und seines Teams erspare ich mir jegliche Vorbemerkung, da sie den Film in einen Kontext einordnen würde, den er als Ramsch überhaupt nicht besitzt.
Die Handlung dreht sich um die beiden „Journalisten“ Christine und Mark, die in ihrem lokalen Sensationsblatt gerne über Außerirdische oder sonstige ungewöhnliche Personen sowie Ereignisse berichten. Bei der Besprechung zur neusten Ausgabe beschleicht das ungleiche Paar – liiert sind sie jedoch nicht – das Gefühl, die Zeitung zur Abwechslung mit einer handfesten Recherchearbeit zu füttern. Christines Entscheidung für das Serienkillerthema bekommt neue Nahrung, nachdem in der Nachbarschaft der Beiden der berühmte Tränenkiller wieder zugeschlagen hat. Zunächst besuchen die „Journalisten“ den Tatort, schießen dort ein paar Fotos und schaffen es mit Hilfe des Internets, einen Zusammenhang zwischen den Morden des Tränenkillers der letzten 20 Jahre und einem umherziehenden Zirkus herzustellen. Während sie der heißen Spur folgen, mordet der als Clown verkleidete Tränenkiller munter weiter, um ein mysteriöses Ziel zu erreichen.

Es kommt immer mal wieder vor, dass sich ein Film logische Schwächen leistet, die dann aber durch andere Aspekte wie gute Kameraarbeit, stimmige inhaltliche Thematik oder einfach auch hohes Tempo kompensiert werden. „100 Tears“ leistet so viele logische Schwächen, dass die Aufzählung so ermüdend wie die Ansicht des Films wäre. Um dieses Ungemach vom Leser abzuhalten, folgen nur wenige Beispiele. Der Film versucht dem Zuschauer allen Ernstes weiß zu machen, dass da ein Killer seit zwanzig Jahren mit riesigem Metzgerbeil unterwegs ist, ohne das die amerikanische Polizei auch nur ansatzweise irgendeine Spur zu Tage gefördert hätte, während die mit Verlaub intelligenztechnisch minderbegabten „Journalisten“ innerhalb weniger Stunden die entscheidende heiße Spur mit Hilfe des vermutlich auch der amerikanischen Polizei zugänglichen Internets herausfinden konnten. 100 Tears Der Film versucht dem Zuschauer allen Ernstes weiß zu machen, dass der Killer seit zwanzig Jahren auf der Suche nach einem Menschen ist, dessen Adresse ein Zirkuszwerg in seiner Schublade aufbewahrt. Zwanzig Jahre lang hat sich der Killer munter durch irgendwelche Leute im Umfeld des Zirkus gemordet, um jetzt plötzlich auf die Idee zu kommen, dass er doch mal an seiner alten Wirkungsstätte nachfragen könnte, da auch der gesuchte Mensch in Verbindung mit dem Zirkus stand. „100 Tears“ wartet zusätzlich mit weiteren hirnlosen Charakteren und Handlungsweisen auf – die Polizei und ihr Umgang mit Mordtatorten ist bemerkenswert inkompetent -, so das sich das Gefühl einstellt, Figuren und Dramaturgie seien schon weit vor der filmischen Manifestation unter das schwingende Beil des blöden Clowns geraten.

Der Film wäre aber nur dröge und nicht gefährlich debil, präsentierte er nicht auch Kompensationsstrategien. Strategie Nummer Eins ist die unangenehmere der Beiden. Der Film fällt auch in den ruhigsten und simpelsten Szenen durch einen inflationären Gebrauch scheinbar harter Sprache auf, die hier jedoch nicht Ausdruck eine Milieus oder der jeweiligen Situation ist, sondern die aktionslose Zeit mit Hilfe größtmöglicher Markigkeit überbrücken soll. Die ständige motivationslose Verwendung des Wortes Fuck oder der Hinweis Christines, sie würde erstmal kacken, bevor man weiter recherchieren könne, ist einfach nur peinliche Sandkastenspielattitüde. Sie entlarvt die Schwächen der Handlung ebenso wie sie das mickrige schauspielerische Niveau hervorhebt. Die beiden Hauptfiguren mögen zwar als skurriles Paar gemeint sein, das entbindet den Regisseur und die Schauspieler aber nicht von der Pflicht, ihnen die Würde zu lassen, wenn sie als handlungstragende Charaktere taugen sollen. Die Kompensationsstrategie Nummer Zwei heißt Splatter. Sie ist deswegen weniger unangenehm, weil sie ein direktes und innerhalb eines entsprechenden Kontextes auch legitimes Stilmittel ist. Sie kaschiert folglich nicht unbedingt eine fehlende Dramaturgie, sondern ist ein Teil der Dramaturgie. Hier hat Marcus Koch auch entsprechendes Können vorzuweisen und vermag einige ansprechende Szenen zu präsentieren. Das bleibt selbst in der um knapp zwei Minuten geschnittenen deutschen Fassung noch der Fall.

Da die Splattereinlagen aber Teil eines filmischen Desasters sind, wirkt das Gesamtwerk wie die uninspirierte Phantasie eines psychisch derangierten 16jährigen, der in seiner Jugend stets was auf die Fresse bekommen hat und nun wenigstens filmisch versucht, allen zu zeigen, was für ein ungehobelter, harter Kerl er doch ist.

Bildqualität

Der Film wurde mit günstiger, technischer Ausstattung gedreht, so dass er eine naturgemäß schwächere Videooptik besitzt. 100 Tears Die Schärfe ist dennoch in Ordnung. Die Farben wirken in den Aufnahmen ohne massiven Filtereinatz bisweilen ein wenig blass – könnte auch ein Stilmittel sein. Die Filteraufnahmen besitzen eine schön anzuschauende grün-bräunliche Optik, die zwar irgendwie deplaziert wirkt, aber filmisch mehr hergibt, als der Rest des Werkes. Der Kontrast ist sehr steil, so dass in dunklen Szenen oftmals Details verschluckt werden. Über die gesamte Lauflänge ist ein Grundrauschen zu sehen. Deutliche Nachzieheffekte trüben den Bildgenuss. Stehende Rauschmuster sind ebenfalls zu sehen.

Tonqualität

Die 5.1-Tonspuren warten mit einer katastrophalen Tonabmischung auf, bei der das Verhältnis von Dialogen und Musik sowie Nebengeräuschen oft aus der Balance gerät. Teilweise ist es schwer, einzelne Dialoge zu verstehen. Das permanente Rauschen der Originaltonspur liegt vermutlich an den Produktionsbedingungen. Eine räumliche Atmosphäre existiert nicht.

Extras

Die Deleted Scenes (etwa zehn Minuten) sind durchaus recht drollig und für Fans des Films eine Bereicherung. Sie bestehen hauptsächlich aus kurzen erzählerischen Teilen, die dann weggelassen wurde, weil sie für die Geschichte nicht zwangsläufig notwendig sind. Nur wenige Szenen liefern neue Splattereinlagen. Die Outtakes (etwa viereinhalb Minuten) bieten die übliche Mischung aus kleinen Patzern und Späßen beim Dreh. Der Trailer rundet das Bonusmaterial ab.

Fazit

„100 Tears“ ist das indiskutable Werk des Regieneulings Marcus Koch, dessen Film nur dann noch einen Wert besäße, wenn er in einem Kraftwerk zu neuer Energie verarbeitet werden würde. Technisch ist die DVD aufgrund des schwachen Tons unterer Durchschnitt.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel 100 Tears (USA 2007)
Länge 90 Minuten (Pal)
Studio i-on new media
Regie Marcus Koch
Darsteller Raine Brown, Joe Davison, Georgia Chris, Jack Amos, u.a.
Format 1:1,78 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Deleted scenes, Outtakes, Trailer
Preis ca. 16 EUR
Bewertung peinlich, technisch unterer Durchschnitt