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rezensionen

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kurzrezension

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22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

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Das Netz der Interessen

Unschuld im Kreuzverhör

Unschuld im Kreuzverhör

„Unschuld im Kreuzverhör“ ist die erste Spielfilmregiearbeit des italienischen Regisseurs Damiano Damiani, der in den 1970ern so eindrucksvolle Mafia-Thriller wie „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“ („Confessione die un commissario die polizia al procuratore della repubblica“, Italien 1971) oder „Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?“ („Perché si uccide un magistrato“, Italien 1975) und später dann auch einige Folgen der TV-Serie „Allein gegen die Mafia“ („La piovra“, Italien 1984) drehte. Bei seinem Debüt zeigte er bereits sein Gespür für gesellschaftliche Verstrickungen, beleuchtete aber zusammen mit Drehbuchautor Cesare Zavattini im Gegensatz zur großen politischen Bühne der späteren Filme den kleinen Mikrokosmos eines Wohnviertels.
Als in einem Mietshaus eine Frau ermordet wird, fällt der Verdacht auf den Kellner Vincenzo (Renato Mambor), weil dieser Kontakt zur Toten gehabt haben soll. Obwohl es keine weiteren Beweise gibt, wird er zum Verhör abgeführt. Für die 14jährige Silvana (Laura Vivaldi) ist der Mord in ihrer Nachbarschaft nur eine kleine, aufregende Nebensache. Sie schwärmt für den adrett aussehenden, einige Jahre älteren Gino (Pierre Brice), der jedoch keine Notiz von ihr nimmt. Das ändert sich, als sie beiläufig erwähnt, dass sie ihn einmal aus der Wohnung der Toten kommen sah. Gino will unter allen Umständen vermeiden, dass die Polizei davon erfährt. Also macht er sich an Silvana heran, um sie in seinem Sinne zu manipulieren. Doch seine Strategie, ein wenig auf die jugendlichen Gefühle des Mädchens einzugehen, sodass er die vollständige Kontrolle behält, geht nicht auf. Silvana lässt sich nicht so einfach an der Nase herumführen und droht ihr Geheimnis preiszugeben.

Die Erkenntnis, dass das Streben nach dem eigenen Glück eine der entscheidenden Triebfedern der Menschheitsentwicklung ist, mag banal sein, aber ihr wohnt eine ebenso tiefe wie konsequenzreiche Wahrheit inne. Je nachdem wie der Einzelne nun sein persönliches Glück definiert, handelt er und beeinflusst so seine Umgebung. Damiani macht bereits beim Vorspann keinen Hehl daraus, dass er Luxus, Ruhm und Gier für wichtige Aspekte der Glücksfindung hält, die dann im Niedergang enden. Standfotos diverser Frauen und Männer, die ihren Reichtum sowie ihre Schönheit den gierig danach lechzenden Fotografen zur Schau stellen, eröffnen „Unschuld im Kreuzverhör“, bevor weitere Standfotos ebensolcher Frauen und Männer mit gesenkten und teilweise vor den Blicken der immer noch gierig lechzenden Fotografen verhüllten Köpfen folgen. Gaffen kann scheinbar auch glücklich machen, so wird hier zusätzlich erzählt. Vor allem wenn es darüber hinaus noch Geld einbringt, aber das ist nicht unbedingt notwendig, wie der spätere Verlauf der Handlung noch zeigt.
Damiani hat jedoch keinen Film über die High Society gemacht, sondern über Menschen, die sich von solchermaßen zur Schau gestellten Werten angezogen fühlen, aber im Verborgenen Unschuld im Kreuzverhör bleiben möchten. Das junge Mädchen Silvana bildet mit ihrer jugendlichen Natürlichkeit einen Gegenpol dazu. Das Mordopfer war am schönen Leben interessiert, legte aufgrund ihrer Profession aber Wert auf Diskretion. Gino will auch vom Nektar des Reichtums ernährt werden, indem er plant, eine hübsche Tochter aus wohlhabendem Hause zu heiraten, aber die Bekanntschaft mit der Toten könnte ihm dabei zum Verhängnis werden. Außerdem droht er dann ins Fadenkreuz der Polizei zu geraten. Die Öffentlichkeit ist für ihn wie für das Mordopfer der Feind.

Zur Triebfeder Gier kommt schließlich noch die der Selbsterhaltung hinzu. Ginos Kampf um die eigenen Pfründe verknüpfen Daminai und Zavattini mit den Reaktionen der übrigen Bewohner des Wohnviertels sowie der Presse. Der gewinnbringende Voyeurismus der Fotografen und das Gaffen der privaten Zuschauer haben einen ähnlichen Ursprung: den Wunsch nach einer Verbesserung der eigenen Position. Die Fotografen wollen vom Schicksalsschlag und seinen Folgen materiell leben, sie existieren deshalb ebenso von der Gier nach Reichtum, ohne die es keinen Grund für ihre Fotos gäbe. Die privaten Zuschauer wiederum ergötzen sich am Schicksalsschlag, um ihr eigenes Dasein positiver bewerten zu können. Sie ernähren sich förmlich vom Leid der Anderen. Das gilt für den Abtransport der Leiche wie für die Verhaftung des unschuldigen Vincenzos. Wenig subtil, aber symbolisch ungemein wirkungsvoll dominieren bei diesen Szenerien die dunklen Grautöne als Zeichen einer pessimistische Sichtweise auf die menschliche Natur. Ebenso passend spielt sich das Geschehen in einem Viertel ab, in dessen trister Wohnblockumgebung mit seinen einfachen Quartieren und teilweise trostlosen Freiflächen der Reichtum normalerweise nicht zu Hause ist.

Der Mikrokosmos aus Gier, Egoismus, Voyeurismus und Vorurteilen entwickelt sich schließlich zu einem psychologischen Drama, wenn die Polizei zu immer weiteren Verhören bittet, in denen die unterschiedlichen beteiligten Personen miteinander konfrontiert werden. Jetzt prallen die Strategien der Lebenserhaltung und der vorurteilsbehafteten Bewertung der Dinge, hinter der doch nur die Suche nach der besten eigenen Position steht, aufeinander. Geschickt spitzt sich die Szenerie immer weiter zu, sodass die Figuren ihre Masken mehr und mehr fallen lassen müssen. Einzig Silvana kann sich eine gewisse Unschuld bewahren, weil ihr Motiv tatsächlich nur die jugendliche Schwärmerei für Gino gewesen ist. Versteckte Hintergedanken hatte sie nicht. Aber Silvanas Seele wird durch die Ereignisse in Mitleidenschaft gezogen und so bleibt unklar, ob sie als Hoffnungsträgerin in ihre weitere Zukunft gehen kann, oder ob sie möglicherweise ihre „Lektion“ gelernt hat, dass in der Welt der Erwachsenen für die reine Seele kein Platz ist.

Bildqualität

Unschuld im Kreuzverhör

Das Bild der DVD ist sehr ordentlich, wenn auch nicht so gut, wie manch anderer Schwarzweiß-Film aus der damaligen Zeit. Dafür sieht alles ein wenig zu weich aus. Die Detailfreude ist nur ordentlich. Insgesamt kann man mit der DVD-Präsentation aber sehr zufrieden sein, zumal kaum Defekte oder Verschmutzungen sichtbar sind.

Tonqualität

Die DD 2.0-Monotonspuren sind nicht ganz frei von Hintergrundrauschen, aber die Verständlichkeit der Dialoge ist stets gegeben. Verzerrungen gibt es nicht. Leider wurden keine deutschen Untertitel spendiert, sodass der italienische Ton nur den Kennern der Sprache etwas bringt.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus dem Trailer und dem Nachdruck der „Illustrierten Film-Bühne“.

Fazit

„Unschuld im Kreuzverhör“ ist ein faszinierendes Drama über die Suche nach dem persönlichen Glück und den körperlichen sowie psychologischen Konsequenzen, die das nach sich ziehen kann. Technisch ist die DVD ordentlich.

Stefan Dabrock

14.07.2015

   
Originaltitel Il rossetto (Italien 1960)
Länge 90 Minuten (Pal)
Studio Pidax Film
Regie Damiano Damiani
Darsteller Pierre Brice, Laura Vivaldi, Giorgia Moll, Pietro Germi, Bella Darvi, Renato Mambor, u.a.
Format 1:1,66 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch, Italienisch
Untertitel -
Extras Trailer, Nachdruck der „Illustrierten Film-Bühne“
Preis ca. 13 EUR
Bewertung gut, technisch ordentlich