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rezensionen

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kurzrezension

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blu-ray

Im Bann des Mörders

Night Ripper – Das Monster von Florenz

Night Ripper – Das Monster von Florenz

Wird ein Giallo aus den 1980ern angekündigt, dann sind Assoziationen an kurze, besonders zur Schau gestellte Miniröcke, besonders lasziv auftretende Frauen, grelle Lippenstifte, Blut und schmierige Szenerien nicht weit. In „Night Ripper – Das Monster von Florenz“ findet man diese Zutaten nicht. Erfreulicherweise hat Cesare Ferrario einen stilistisch prägnanten, aber vergleichsweise zurückhaltenden Film gedreht, dessen Giallo-Zugehörigkeit nicht jeder unterstreichen würde. Angesichts der filmisch sorgfältigen Machart sind Genrezuordnungen aber ohnehin weniger wichtig.
Zwischen 1968 und 1985 wurden in der Provinz Florenz acht Pärchen in ihren Autos ermordet. Die Taten fanden nachts an einsamen Orten statt. Die Frauen wurden im Genitalbereich verstümmelt. Der Schriftsteller Andreas Ackerman (Leonard Mann) beschäftigt sich für ein Buchprojekt mit den Taten und versucht, in die Geisteswelt des Täters einzudringen. Gedanklich rekonstruiert er mögliche Tatverläufe, um entscheidende Hinweise auf den Mörder zu finden. Denn die Polizei tappt im Dunkeln. Ackerman stößt dabei auf widersprüchliche Anhaltspunkte, die er zu immer neuen Bildern zusammensetzt, bis er das Rätsel scheinbar lösen kann. Dabei gerät er auch mental aus der Bahn.
„Night Ripper“ basiert auf einer realen Mordserie, die zum Entstehungszeitpunkt des Films jedoch nicht ansatzweise aufgeklärt worden war. Daher ist alles, was der Film präsentiert Spekulation. In den folgenden Jahren erwiesen sich die präsentierten Theorien darüber hinaus als haltlos.
Folgt daraus nun die Sinnlosigkeit des „True Crime“-Werkes? Natürlich nicht, denn die Geschichte um den Buchautor kann losgelöst von den später zu Tage geförderten Fakten als zeitlose Betrachtung über eine pathologische Mordserie betrachtet werden. Faszinierend ist weniger das Mordmotiv, welches Ackermann in klassischer Giallo-Manier mit einem sexuellen Kindheitstrauma in Verbindung bringt, als die zunehmende Verknüpfung zwischen Autor und Täter. Ackerman beschäftigt sich stellvertretend für die besorgte Öffentlichkeit mit den Morden und nimmt die Position eines kritischen Betrachters ein, der glaubt, wichtige neue Ermittlungshinweise geben zu können. Sein Blick hat zwar analytische Ansätze, wenn er mit akribischem Fleiß an die Rekonstruktion einzelner Taten geht, aber ihm fehlt die Distanz eines professionellen Ermittlers. Ackerman verlässt nie den Dunstkreis der Emotionen, sodass er in einen Zustand fortschreitender Verunsicherung hineingerät. Jedes neue Indiz, jede neue Theorie steigert seine Irritation, auch wenn er sich einredet, dem Mörder näher zu kommen.
Insofern handelt „Night Ripper“ vom schleichenden Einfluss des Täters auf die Gesellschaft, Night Ripper – Das Monster von Florenz deren Grundkonstante des Sicherheitsversprechens aus den Fugen gerät. Besonders eindrucksvoll wirkt eine Szene an einem Brunnen in der ländlichen Umgebung von Florenz, wo Ackerman zu Recherchezwecken hingefahren ist. Dank prächtiger Weitwinkelaufnahmen entwickelt die an sich harmlose Szenerie recht schnell eine Atmosphäre latenter Bedrohung, die durch den orientierungszersetzenden Schnitt, das überall herumliegende welke Laub und das Zwielicht weiter angezogen wird.

Die so heraufbeschworene Angst vor der Gewalt durchzieht den gesamten Film auf unterschwellige Weise. Widersprüche sowie Unklarheiten prägen das gezeichnete Bild. Die Rückblenden der anhand verschiedener Indizien rekonstruierten Mordverläufe sehen relativ dunkel, aber keineswegs zu dunkel aus. Mit gespenstischer Gelassenheit agiert darin ein ruhig auftretender Täter im Schutze der Nacht. Wirkungsvoll positionierte Lichtquellen beleuchten gerade soviel schemenhafte Details, um die Fantasie des Zuschauers zu beschäftigen. Und wenn der Mörder mit seiner Taschenlampe Licht ins Dunkel bringt, dann sind Opfer und Zuschauer gleichermaßen geblendet. In der Helligkeit steigt der Erkenntnisgewinn nicht, sondern die Gewalt.

So torpediert Ferrario die Sehnsucht nach der Wahrheit, indem er den Widerspruch aus höherer Lichtstärke und weniger Klarheit immer wieder aufnimmt. Zuletzt, als der vermeintliche Täter im Kindesalter durch einen dämmrigen Raum die beleuchtete Treppe in den ersten Stock empor geht, um den Geräuschen aus dem Schlafzimmer seiner Eltern nachzugehen. Die Bewegung des Jungen vom Dunklen ins Helle symbolisiert einen scheinbaren Erkenntnisgewinn. Doch hinter der Schlafzimmertür lauert eine Szenerie, die bei dem Kind für Verunsicherung und Irritation sorgt. Der Junge versteht das Gesehene nicht. Auf visueller Ebene entsteht so eine Verknüpfung zwischen dem Täter und Ackermann, aus dessen Geist die Mordrückblenden stammen. Beide haben mit Verunsicherung zu kämpfen.
Insofern entwickelt sich der Film weniger zu einer Aufarbeitung des Falles, an dessen Ende eine schlüssige, nüchterne Theorie steht, sondern vielmehr zu einer Bebilderung der Angst, des Wahns und der Irritation, die sowohl einzelne Individuen, als auch die gezeigte Gesellschaft als Ganzes im Griff hat. Diese zeitlose Komponente und die klar strukturierte, die gelassene Vorgehensweise des Täters reflektierende Kameraarbeit, machen „Night Ripper“ zu einem der sehenswertesten Spätgiallos.

Bildqualität

Night Ripper – Das Monster von Florenz

Das Bild der Bluray ist sehr ordentlich, verglichen mit der vormaligen DVD-Veröffentlichung aus dem Hause Madison sogar sehr gut. Denn auch wenn manche Szenerien etwas matschig aussehen, kommt es angesichts der ohnehin relativ dunkel angelegten Mordrückblenden darauf an, dass diese nicht komplett in rabenschwarzer Nacht absaufen. Und genau hier ist es filmArt gelungen, entscheidende Verbesserungen zu erzielen. Denn durch die höhere Helligkeit, ohne den Kontrast ins Milchige zu drehen, und die bessere Detailwiedergabe entwickelt sich eine beunruhigende Atmosphäre. Die Farbwiedergabe kann ebenso überzeugen, da die gedeckte Palette sehr gut zur Geltung kommt.

Tonqualität

Die DTS-HD-Master-1.0-Tonspuren kommen gewohnt solide daher. Besondere Großtaten konnte man weder erwarten, noch werden sie angesichts der Machart des Films benötigt. Die Dialoge lassen sich einwandfrei verstehen, Verzerrungen gibt es nicht. Insofern alles einwandfrei.

Extras

Das Bonusmaterial besteht unter anderem aus der kürzeren italienischen Schnittfassung des Films, einem Trailer zu „Night Ripper“ und einem 12-seitigen Booklet. Der darin enthaltene Text liefert durchaus ein paar interessante Informationen zur „True Crime“-Thematik sowie zu „Night Ripper“ und den daran beteiligten Personen. Auch der reale Fall und dessen Ermittlungen haben ihren Platz. Die Verknüpfung der einzelnen Gedankengänge ist dabei nicht immer ganz elegant, aber das ist das geringere Problem. Viel wichtiger wäre es gewesen, den Text stilistisch und orthografisch zu redigieren.

Fazit

„Das Monster von Florenz“ gehört zu den sehenswerten italienischen Genrefilmen aus den 1980ern. Dabei steht keineswegs ein reißerischer Umgang mit dem zugrundeliegenden Fall im Vordergrund, sondern es geht vielmehr um den Einfluss des Mörders auf das gesellschaftliche Empfinden. Technisch ist die Bluray recht gut.

Stefan Dabrock

22.06.2015

   
Originaltitel Il mostro die Firenze (Italien 1986)
Länge 101 Minuten (24p)
Studio filmArt
Regie Cesare Ferrario
Darsteller Leonard Mann, Bettina Giovannini, Gabriele Tinti, Federico Pacifici, Francesca Muzio, u.a.
Format 1:1,66 (16:9)
Ton DTS-HD-Master-1.0 Deutsch, Italienisch
Untertitel Deutsch, Englisch
Extras Trailer, 12-seitiges Booklet
Preis ca. 29 EUR
Bewertung gut, technisch recht gut