dvdheimat und blurayheimat - das magazin für dvd und bluray-rezensionen

rezensionen

30.03. Paul Temple und der Fall Marquis
03.03. Die weiße Mafia
16.02. Das Mädchen mit den schwarzen Strümpfen
11.02. Im Dutzend zur Hölle
28.01. Die Engel von St. Pauli
21.01. Die Todeskralle des grausamen Wolfes
06.01. Die Mörderklinik
12.12. Paul Temple: Jagd auf Z
27.11. Die drei Supermänner räumen auf
30.10. Die Heuchler
10.10. X 312 … Flug zur Hölle...
03.10. Das Todeslied des Shaolin
15.09. Der Koloss von Konga
26.08. Das Omen des Bösen
11.08. Menschen im Hotel
06.08. Mädchen: Mit Gewalt

kurzrezension

09.11. Return of the Warrior
30.05. Iron Sky - Director's Cut (blu-ray)
21.05. Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“
22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

dvd

Spiel mit dem Glück

Hetzjagd ohne Gnade

Filmart Polizieschi Edition Nr. 3: alle Filme

Hetzjagd ohne Gnade

Sergio Martino ist ein typischer Regisseur der italienischen Filmindustrie vergangener Tage. In den 1970er Jahren begann er seine Karriere und drehte jeweils in den Genres, die gerade populär waren. Vom Giallo à la „Der Killer von Wien“ („ Lo Strano Vizio Della Signora Wardh“, Italien 1971) über Polizeifilme wie „Die Killermafia“ („Lapolizia accusa: il servizio segreto uccide“, Italien 1975) oder Sexkomödien nach dem Muster des seltsamen „Lollipops und heiße Höschen“ („Spogliamoci così senza Pudor“, Italien 1976) bis zum Endzeitreißer „Fireflash – Der Tag nach dem Ende“ („2019 – Dopo la catuda di New York“, Italien 1983) war alles dabei. In seinen besten Arbeiten schaffte es Martino, kompakte Geschichten mit eleganten Bildern zu veredeln. Es entstanden visuelle Erzählungen, die über die Oberfläche der offensichtlichen Handlung sichtbar hinausgehen.
Der Falschspieler Luc Altieri (Luc Merenda) taucht in einem versteckt liegenden, illegalen Kasino in Mailand auf und erbeutet dank seiner geschickten Finger eine hübsche Summe Geld. Der Boss des Etablissements (Enrico Maria Salerno), nur „Präsident“ genannt, hat Lucs Methoden aber durchschaut. Er lässt ihn durch seine Leibwächter abfangen, nimmt ihm das Geld wieder ab und engagiert Luc als professionellen Falschspieler für sein Kasino. Zehn Prozent des Gewinns darf der neue Mitarbeiter behalten, der Rest verbleibt beim Kasino. Die profitable Vereinbarung geht so lange gut, bis sich Luc in Maria Luisa (Dayle Haddon) verguckt. Die attraktive Frau ist dummerweise mit Corrado (Corrado Pani), dem Sohn des „Präsidenten“ liiert. Der betrachtet Maria Luisa als sein persönliches Eigentum und geht mit Gewalt gegen den unverhofften Konkurrenten vor. Die Auseinandersetzung nimmt zwanghafte Züge an.

Bei genauerer Betrachtung ist „Hetzjagd ohne Gnade“ ein Film über Schwächlinge, die am Leben scheitern. Luc wirkt mit seinem breiten Grinsen, souveränem Auftreten und gekonnten Scharaden zwar wie ein Gewinner, aber im entscheidenden Moment seines Lebens gelingt es ihm nicht, die neurotische Risikosucht zu überwinden. Im selbst gewählten Exil mit Maria Luisa zieht es ihn wieder ins Kasino. Weil er im Ruhestand kein Glück findet, setzt er auch ihres aufs Spiel.
Lucs Feind Corrado lotet die Untiefen der eigenen Psyche aber noch gründlicher aus. Mit Hetzjagd ohne Gnade Gewalt versucht er, Maria Luisa zu zähmen. Als er seinen Leibwächter Lisander (Franco Iavarone) dazu bringt, seine Noch-Geliebte fast zu vergewaltigen, spiegelt sich in Corrados Gesicht eine Mischung aus Machtwillen und schmerzhaft empfundener eigener Impotenz. Er ist ein Schwächling, der zu brutalen Mitteln greift, um das zu kaschieren. Dabei reitet er sich jedoch immer tiefer ins Verderben hinein.
Lediglich der „Präsident“ strahlt eine gewisse, gereifte Souveränität aus, weil er Emotionen, Strategie und Ziele in Einklang bringt. Aber körperlich kann er auf die Zuspitzung der Ereignisse nicht reagieren, weil er im Rollstuhl sitzt. Er muss auf der Hut sein und das birgt Risiken.

Martino entwickelt das Drama um diese Figuren wie einen Frontalcrash zweiter Züge, dem man in Zeitlupe zusehen kann. Die Schwächen, Ziele und Verhaltensweisen liegen von Anfang an auf dem Tisch. Echte Überraschungen gibt es nicht, es bleibt lediglich offen, auf welche Weise die Beteiligten die sich vielfach bietenden Auswegchancen ausschlagen. Die Tragödie nimmt auf emotionale Weise ihren Lauf. Denn Luc verkörpert mit spitzbübischem Charme den Typus des naiven, aber sympathischen Hallodris. Und Maria Luisa würde man ohnehin wünschen, sie könnte dem Milieu endgültig entkommen.
Kameramann Giancarlo Ferrando verstärkt die melancholische Stimmung der einsamen Gestalten, deren Scheitern im Mittelpunkt steht. Die Lichter des nächtlichen Mailands mögen das entfernte Echo eines trügerischen Glamours sein, sie können den Hauch des Verderbens aber nicht wegwischen. Als Luc die weglaufende Maria Luisa auf seinem Motorrad in eine Parkgarage verfolgt, sorgt Ferrando mit gezieltem Licht für eine ästhetische Raumwirkung sich verlängernder Gassen. In der Weitläufigkeit spiegelt sich die Ungewissheit der beiden wieder, welchem Schicksal sie entgegen gehen. Über zwei Ausgänge aus dem Gebäude haben sie die Wahl der direkten Konfrontation mit den Schergen Corrados oder der Flucht. Sie vermeiden den Kampf und kommen sich danach näher. Visuell elegant und dramaturgisch perfekt spiegelt sich darin das Dilemma der Figuren wieder. Die Bildsprache in „Hetzjagd ohne Gnade“ gehört zu den besonderen Stärken des Films. Aus der schlichten Handlung wird so eine eindrucksvolle Tragödie, der man auch die etwas zu kitschigen Momente des scheinbaren Glücks nachsieht.

Bildqualität

Hetzjagd ohne Gnade

Für die DVD stand ein sehr schönes Master zur Verfügung, das eine gute bis sehr ordentliche Schärfe besitzt. Besser wird man „Hetzjagd ohne Gnade“ wohl kaum zu sehen bekommen können. Auch die Farben sind kräftig und der ausgewogene Kontrast steht ganz im Dienste der sehenswerten Bildsprache des Films.

Tonqualität

Beim deutschen Monoton kann man zwischen einer gefilterten und einer ungefilterten Variante wählen, wobei die ungefilterte natürlich mehr Hintergrundrauschen besitzt, die gefilterte aber etwas dumpfer klingt. Verständlich sind die Dialoge aber in beiden Fällen. Der italienische Ton präsentiert sich aufgeräumt und recht frisch.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus dem italienischen Trailer und einem 16-seitigen Booklet, in dem es um einige Motive des Films sowie das beteiligte Personal geht. Dabei fällt der wenig geglückte Versuch auf, besonders flockig zu formulieren. Mehr als einmal verheddert sich der Autor jedoch in gewollt spritzigen Satzkonstruktionen, sodass der Text teilweise schwer lesbar ist. Auch inhaltlich hätte dem Erguss eine Straffung gut getan.

Fazit

„Hetzjagd ohne Gnade“ gehört zu Sergio Martinos unbekannteren Werken. Die Qualität aber liegt auf hohem Niveau, da die schön fotografierten Bilder die Tragödie der Schwächlinge wunderbar elegant unterstreichen. Technisch ist die DVD gut.

Stefan Dabrock

10.04.2014

   
Originaltitel La città gioca d'azzardo (Italien 1975)
Länge 96 Minuten (Pal)
Studio filmArt
Regie Sergio Martino
Darsteller Luc Merenda, Dayle Haddon, Corrado Pani, Enrico Maria Salerno, Lino Troisi, Franco Iavarone, Salvatore Puntillo, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton Mono Deutsch (gefiltert), Deutsch (ungefiltert), Italienisch
Untertitel Deutsch, Englisch
Extras Trailer, 16-seitiges Booklet
Preis ca. 23 EUR
Bewertung gut, technisch gut