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dvd

Gedankenräume

Eden und Danach

2-Disc Collector's Edition

Eden und Danach

Als einer der Mitbegründer des französischen „Nouveau roman“, einer nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen experimentellen Literaturform, wollte Alain Robbe-Grillet konventionelle Erzählstrukturen aufbrechen. In seinen Werken legte er keinen Wert auf eine zeitlich aufeinander aufbauende Abfolge von Geschehnissen, sondern er konzentrierte sich auf Motive, die er unter anderem als Träume oder Erinnerungen gerne in unterschiedlichen Varianten mehrfach wiederholte. Seine Schriften sind deswegen zumeist Angebote an den Leser, selbst einen Sinn zu kreieren. Als sich Robbe-Grillet ab den 1960er Jahren auch dem Film zuwandte, blieb er der eingeschlagenen Linie treu. In seinem Drehbuch zu Alain Resnais „Letztes Jahr in Marienbad“ (L'année dernière à Marienbad, Frankreich 1961) gab er ein verschlungenes Rätsel auf, das Resnais mit der konsequenten Inszenierung an die Zuschauer weiterreichte. „Eden und Danach“ ist nach Robbe-Grillets Debüt „Die Unsterbliche“ („L'immortelle“, Frankreich/Türkei/Italien 1963) dessen vierte Regiearbeit.
Auf der oberflächlichen Ebene lässt sich so etwas wie ein Handlungsgerippe ausmachen. Die Studentin Violette (Catherine Jourdan) hängt nach den Uni-Vorlesungen zusammen mit ihren Kommilitonen im Café Eden rum, wo sich die jungen Leute mit seltsamen Rollenspielen und Träumereien die Zeit vertreiben. Plötzlich taucht ein Fremder namens Duchemin (Pierre Zimmer) auf, der mit ein paar Tricks und Erzählungen neuen Schwung in die Studentenroutine bringt. Violette verabredet sich mit ihm, gerät am Treffpunkt aber nur in eine irritierende Situation verwirrender Sinneseindrücke. Nachdem sie den Fremden am nächsten Morgen tot auffindet und ein Bild aus ihrem ansonsten kahlen Zimmer verschwunden ist, befindet sie sich plötzlich in Nordafrika, wo sie auf ihrer Odyssee wieder bekannte Gesichter trifft.

Alain Robbe-Grillet spielt mit der Objektivität der Ereignisse, indem er seine Motive nahezu zusammenhanglos montiert. So befreit er jede Szene von der Deutungsführung einer klassischen Dramaturgie und lässt dabei völlig offen, was Realität und was Traum ist, welche Menschen aus Fleisch und Blut existieren und welche nur phantasmagorische Doppelgänger in einer aus den Fugen geratenen Wahrnehmung sind. „Eden und Danach“ ist ein Raum der Möglichkeiten, dessen Offenheit nie eindeutig durchbrochen wird. Selbst Bilder mit vermeintlich klarer Symbolkraft wie die gefesselte, leicht bekleidete Violette, der zusätzlich die Augen verbunden wurden, oder ihr Umherirren durch eine alte Fabrikanlage, sind nur Reize für das Hirn des jeweiligen Zuschauers. Denn ohne den Kontext einer erfassbaren Geschichte ist ihre Bedeutung variabel.
Die Erweiterung der Gedankenräume ist eine Stärke des Films, weil von einer Gesellschaftsbetrachtung zur Befindlichkeit der Studenten über die Frage nach der Eden und Danach Verwurzelung gewalttätiger Neigungen in der menschlichen Natur bis zur losen Auseinandersetzung mit mythologischen Vorstellungen über fremde Länder eine mächtige Deutungsbandbreite innerhalb der „Erzähl“-Struktur steckt. Die erkauft sich Robbe-Grillet aber mit einer oftmals statisch-theaterhaften Inszenierung, die im Dienste des neutralen Aufnehmens steht. So kann er seine Szenen fast beliebig montieren und irritierende Welten jenseits der Logik entwerfen.

Dass „Eden und Danach“ keine reine intellektuelle Spielerei geworden ist, liegt an einzelnen visuellen Arrangements mit tiefgehender Ausstrahlung. Die labyrinthisch erscheinende Industrieanlage, in der Violette bei Nacht umherirrt, wurde in ein mystisches Blauviolett getaucht, vor dem sich immer wieder schwarze Silhouetten verschiedener Menschen oder eines Baugerüstes abzeichnen. In diese wunderschön-ästhetischen Bilder wird man förmlich hineingesaugt. Sie bestehen nicht nur aus dem Rätsel der Logik, mit ihnen spricht Robbe-Grillet auch die Gefühlsebene an. Zwischen dezentem Horror und Irrationalität entsteht ein Widerstreit aus Angst und der Lust am Unbekannten. Am Ende geht es letztlich nur um die Auseinandersetzung des Zuschauer mit sich selbst, mit seinen eigenen Vorstellungen, Werten und Emotionen.

Bildqualität

Eden und Danach

Die DVD überzeugt mit einer guten Schärfe, die nicht unbedingt zu erwarten war. Klare Konturen und ein guter Detailreichtum bringen die Qualität der visuellen Gestaltung zur Geltung. Die Farben machen einen frischen Eindruck und der Kontrast gibt sich auch keine nennenswerte Blöße. Das analoge Hintergrundrauschen stört nicht.

Tonqualität

Die 2.0-Mono-Tonspuren verfügen über gut verständliche Dialoge, wobei die französische Originalversion etwas natürlicher klingt.

Extras

Nur ein Jahr nach „Eden und Danach“ entstand dessen Variation „N. a pris les dés...“, für die Robbe-Grillet Szenen aus „Eden und Danach“ neu montierte, einen Erzähler einfügte und Material verwendete, das beim Dreh zu „Eden und Danach“ entstanden ist, dabei aber nicht verwendet wurde. Diese Alternativversion, die als Bonus auf einer zweiten DVD enthalten ist, wirkt noch rätselhafter als seine „Vorlage“. Robbe-Grillet treibt die Variabilität der Motive auf die Spitze und narrt den Zuschauer mit einem Erzähler. Denn es erweist sich als Trugschluss, dass dessen Kommentar die ordnende Funktion übernimmt, die als Erwartungshaltung mitschwingt. Stattdessen sorgen seine Worte für noch mehr Verwirrung, da sie aufgrund ihres abstrakten Charakters kaum direkt mit der Bildebene verbunden sind.
Sehr schön ist auch das gut 30-minütige Interview mit Alain Robbe-Grillet, Eden und Danachin dem der Regisseur unter anderem über die Struktur der beiden Filme spricht, deren Montage er dem musikalischen Vorbild Arnold Schönbergs entlehnt hat. Er setzt diesen Ansatz in Bezug zu den Motiven der Filme und äußert sich auch über ihre Entstehungsgeschichte.
Im 16-seitigen Booklet führt Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger in die künstlerische Welt des Alain Robbe-Grillet ein und stellt so einen erhellenden Kontext zum Verständnis der Filme her.
Donau Film ist mit der Veröffentlichung von „Eden und Danach“ eine gute DVD-Edition gelungen, die eine klaffende Lücke in der deutschen Veröffentlichungslandschaft ausfüllt, da hierzulande bislang noch kein Film von Alain Robbe-Grillet erhältlich war. Die Nummer 1 deutet an, dass noch weitere Filme aus dessen Werk folgen sollen.

Fazit

„Eden und Danach“ reiht sich nahtlos in Alain Robbe-Grillets Bruch mit Erzählkonventionen ein, den er bereits in seinen literarischen Schriften vollzogen hat. Angesichts der manchmal etwas zu nüchternen Inszenierung gerät der Film an den Rand einer intellektuellen Spielerei. Aber einzelne Bilder werden dem Medium Film gerecht und entfalten eine optische und damit auch inhaltliche Kraft jenseits der reinen Montage wiederkehrender Motive. Technisch ist die DVD gut.

Stefan Dabrock

16.12.2013

   
Originaltitel L'éden et après (Frankreich/Tschechoslowakei 1970)
Länge 95 Minuten (Pal)
Studio Donau Film
Regie Alain Robbe-Grillet
Darsteller Catherine Jourdan, Pierre Zimmer, Laorraine Rainer, Sylvain Corthay, Richard Leduc, Ludovít Króner, Catherine Robbe-Grillet, u.a.
Format 1:1,66 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch, Französisch
Untertitel Deutsch
Extras „N. a pris les dés...“ (Alternativ geschnittene Version des Hauptfilms), Interview mit Alain Robbe-Grillet (Regie), Bildergalerie 16-seitiges Booklet
Preis ca. 21 EUR
Bewertung experimentell, technisch gut