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rezensionen

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27.11. Die drei Supermänner räumen auf
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03.10. Das Todeslied des Shaolin
15.09. Der Koloss von Konga
26.08. Das Omen des Bösen
11.08. Menschen im Hotel
06.08. Mädchen: Mit Gewalt

kurzrezension

09.11. Return of the Warrior
30.05. Iron Sky - Director's Cut (blu-ray)
21.05. Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“
22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

blu-ray

Der Quell versiegt

Singapore Sling

Singapore Sling

Die Filme des griechischen Regisseurs Nikos Nikolaidis haben über sein Heimatland hinaus nur eine geringe Verbreitung erfahren. Sein wahrscheinlich bekanntestes Werk „Singapore Sling“ lief aber immerhin beim renommierten Filmfestival von Toronto, sodass der wilden Mischung aus Film noir, Komödie, Tragödie und Perversion eine entsprechende Aufmerksamkeit zu Teil wurde.
Alles beginnt mit einem Detektiv (Panos Thanassoulis), der eine Frau sucht. Durch eine Schusswunde gezeichnet schleppt er sich zu einem einsam gelegenen Haus, das seine letzte Spur ist. Nachdem er dort geklingelt hat, wird er hineingelassen, um als Spielball der beiden Bewohnerinnen zu enden. Mutter (Michele Valley) und Tochter (Meredyth Herold) machen sich einen Spaß daraus, den Detektiv für ihre sexuellen Phantasien zwischen Schmerz, Ekel und absurder Komödie zu benutzen. Ein Entkommen scheint unmöglich, aber die Lösung des Falls könnte in den Tiefen des Hauses verbogen sein.

Nikolaidis hatte es nicht leicht, Geld für seine sehr persönlichen Filme aufzutreiben und so musste er stets mit einem relativ niedrigen Budget auskommen. Sein Geld verdiente er unter anderem mit der Erstellung von Werbespots. Er bewohnte ein recht großzügiges Haus mit entsprechendem Grundstück in Athen, das in „Singapore Sling“ als Drehort diente.
Unter diesen schwierigen Bedingungen hat sich Nikolaidis bemüht, aus dem bizarren Kammerspiel einen Kinofilm zu machen, der visuell überzeugen kann. Die wunderschön kontrastreich ausgeleuchtete, mit glänzendem Licht arbeitende Schwarzweiß-Szenerie des Anfangs bestätigt auch, dass Nikolaidis zusammen mit Kameramann Aris Stavrou sein Singapore Sling künstlerisches Handwerk versteht. Die visuelle Hommage an den Film noir bereitet darauf vor, dass unter der schönen Oberfläche etwas anderes lauert, wenn man auch nicht genau ahnen kann, was da alles noch so kommt. „Singapore Sling“ ist eine Fortführung beziehungsweise Variation des obsessiven Geschehens aus Otto Premingers Noir-Klassiker „Laura“, in dem sich ein Detektiv in eine Frau verliebt, die allem Anschein nach tot ist.

Aber wo der Noir-Film der 1940er Jahre mit metaphorischen Bild-Chiffren für die Verderbtheit der Figuren und der Gesellschaft arbeiten muss, da langt Nikolaidis in die Vollen. Erbrechen, Pinkelspiele, Gewalt und andere Grenzüberschreitungen sind bei Mutter und Tochter Teil der Tagesordnung, in die der Detektiv mit großer Freude eingepasst wird. Zusammen mit ihrem Humor aus vorgetäuschtem Sterben oder einem Geschicklichkeitsspiel aus einem Film des Komikerduos Laurel & Hardy entsteht eine Atmosphäre des Wahnsinns, deren Kraft eindrucksvoll sein könnte.

Leider fällt „Singapore Sling“ visuell in sich zusammen, nachdem der Detektiv das Haus betreten hat. Die Größe des Anfangs wurde zugunsten mickriger Enge zurückgefahren. Damit sind nicht die räumlichen Grenzen des Drehorts gemeint, die das Gefängnis widerspiegeln, in dem sich der Detektiv befindet, sondern es geht um die ästhetische Gestaltung. Statt mächtige auf unterschwellige Kräfte verweisende Bilder ansehen zu können, muss man sich mit spröden Szenerien ohne nennenswerte Spannung begnügen. Nikolaidis gelingt es nicht mehr, die Oberfläche des Gezeigten zu durchbrechen. Die Selbstbefriedigung mit einer Kiwi strotzt eigentlich vor Saftigkeit, sieht aber kraftlos aus. Der ganze Wahnsinn, das ganze grenzüberschreitende Spiel mit Tabus und Obsessionen wirkt deswegen nur langweilig.
Erst am Ende findet Nikolaidis zu seinem Können zurück. Auf einmal sieht der Film wieder nach Kino aus, weil die Bilder so dramatisch gestaltet wurden, das die Größe des Anfangs erneut Einzug hält.

Bildqualität

Singapore Sling

Das Bild der Bluray ist sehr gut geworden. Die Schärfe lässt keine Wünsche übrig und der Kontrast sieht hervorragend aus. So kommen alle Szenen des Films so zur Geltung wie sie gestaltet wurden. Nennenswerte Schwächen lassen sich nicht ausmachen.

Tonqualität

Der Ton passt zum positiven Eindruck der Veröffentlichung. Hintergrundrauschen existiert nicht und die Dialoge sind absolut klar und verständlich.

Extras

In der fast 80-minütige Dokumentation über Regisseur Nikos Nikolaidis mit dem Titel „Directing Hell“ kommen neben Nikolaidis die wichtigsten Darsteller aus seinen Filmen zu Wort. So entsteht ein reichhaltiges Bild seiner künstlerischen Arbeit. Dabei spielt „Singapore Sling“ nur eine kleine Rolle. Das stört aber nicht, denn fast alle anderen Filme des Griechen machen nach den Ausschnitten und den Gesprächen zu urteilen einen wesentlich interessanteren Eindruck als „Singapore Sling“. Vor allem die gezeigten Bilder des Films „Morning Patrol“ sehen ausdrucksstark aus. Hier gäbe es noch Lücken in der deutschen Veröffentlichungslandschaft zu schließen.
Das gut 20-minütige Interview mit Nikos Nikolaidis behandelt einzelne Themen wie die Darsteller der Filme, Frauenfiguren und andere Aspekte. Teilweise antwortet Nikolaidis sehr kurz, sodass der Informationsgehalt manchmal gering ist. Dafür leistet das Gespräch etwas anderes: Mit der Zeit schält sich die Persönlichkeit des Regisseurs heraus, weil auch seine kurzen Antworten nie eingeübter PR-Standard sind. Sie entstammen einzig und allein Nikolaidis' innerer Verfassung.
Eine knapp fünfminütige Rolle mit Werbefilmen zeigt einige der Arbeiten, mit denen Nikolaidis sein Geld verdient hat. Die ausgewählten Spots bestechen durch ihre ungewöhnliche Machart jenseits standardisierter Langeweile. Die Werke eines Künstlers.
Im 12-seitigen Booklet beschäftigt sich Gerd Reda ausführlich mit „Singapore Sling“. Er analysiert dessen Motive und geht auf die Rezeptionsgeschichte ein. Außerdem stellt er Nikolaidis sowie dessen restliches filmisches Schaffen vor.

Fazit

„Singapore Sling“ krankt im Mittelteil an der spröden Optik, die nicht so recht zum grenzüberschreitenden Geschehen passen mag. Das saugt der wilden Mischung die Kraft aus, die man eigentlich hätte erwarten können. Technisch ist die Bluray sehr gut.

Stefan Dabrock

09.11.2013

   
Originaltitel Singapore sling: O anthopos pou agapise ena ptoma (Griechenland 1990)
Länge 111 Minuten (24p)
Studio Bildstörung
Regie Nikos Nikolaidis
Darsteller Meredyth Herold, Panos Thanassoulis, Michele Valley, u.a.
Format 1:1,33 (4:3)
Ton 2.0 Mono Französisch/Englisch/Griechisch
Untertitel Deutsch, Englisch
Extras Directing Hell – Dokumentarfilm über Regisseur Nikos Nikolaidis, Interview mit Nikos Nikolaidis (Regie), Werbespots von Nikos Nikolaidis, 12-seitiges Booklet
Preis ca. 23 EUR
Bewertung gescheitert, technisch sehr gut